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Kalter Mond

Kalter Mond

Titel: Kalter Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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sich wieder Richtung Stadt. Gegenüber der World Tavern hingen auch diesmal drei, vier Jugendliche rum. Sie ging über die Straße auf sie zu.
    »Deinen Bruder inzwischen gefunden?«
    Es war der Große von gestern Abend; derjenige, der Heroinsüchtige mit Verachtung strafte. Na ja, wer tat das nicht? Die anderen drei erkannte sie nicht wieder.
    »Ich dachte, ich versuch’s ein letztes Mal.«
    »Mann, ich wünschte, meine Leute wären so loyal.«
    »Deine Familie ist total gestört«, sagte ein irgendwie minderbemittelt wirkender Junge.
    »Genau«, sagte der Große. »Sag ich doch.«
    Es war noch ein älterer Typ bei ihnen. Ruhiger. Er sah sie mit verhaltenem Interesse an.
    »Wen suchst du denn?«, fragte er. »Ich kenn so ziemlich jeden.«
    Terri sagte es ihm.
    »Wo hast du ihn zuletzt gesehen?«
    »Hier in der Stadt.« Sie hielt es für riskant, das Lager zu erwähnen.
    Der Kerl zuckte die Achseln. »Ich kenn mehrere Kevins. Wie sieht er denn aus?«
    Terri sah ihn an. Ihm stand eine gewisse Neugier ins hagere Gesicht geschrieben, wieso also nicht? Sie beschrieb ihm Kevin.
    »Sicher, den kenn ich. Hab ihn sogar heute Morgen erst gesehen.«
    »Und wo?«
    »Du weißt, wo die Chinook Tavern ist?«
    Terri schüttelte den Kopf. »Ist es weit?«
    »Ja, schon. Du müsstest zur Front Street rüber, von da aus mit dem Bus zum Trout Lake raus. ’ne Stunde, wenn nicht anderthalb. Außerdem ein bisschen kompliziert. Soll ich dich nicht einfach hinfahren?«
    »Nein, nicht nötig, ich find das schon.«
    »Macht mir nichts aus. Liegt für mich auf dem Weg.« Er sah auf die Uhr. »Ich bin schon spät dran. Wenn ich dich mitnehmen soll, musst du jetzt kommen.«
    Er drehte sich um und lief Richtung Oak Street auf einen schnittigen schwarzen Wagen zu.
    »Warte«, sagte Terri. »Ich komm mit.«
    Sie rannte über die Straße und stieg auf der Beifahrerseite ein. Der Wagen hatte einen von diesen starken Motoren, die einen bei jeder Beschleunigung gegen die Rückenlehne drückten. Während sie durch die Straßen im Zentrum fuhren, löcherte der Typ sie mit Fragen – woher sie kam, was sie so machte, ob sie schon lange in Algonquin Bay war. Er schien neugierig, ohne aufdringlich zu sein. Ein wenig nervös vielleicht. Ab und zu griff er sich an die Stirn und kratzte sich an einer kleinen Narbe.

46
     
    S ie warteten an der Ampel. Normalerweise war Cardinal ein geduldiger Fahrer, doch jetzt hockte er vorgebeugt auf dem Sitz und fluchte leise.
    »Vielleicht solltest du nach Hause fahren«, sagte Delorme. »Du siehst völlig fertig aus.«
    »Geht schon. Ich bin nur ein bisschen müde.«
    Delorme sah Cardinal nicht zum ersten Mal müde, aber nicht so. Sein Gesicht war bleich, die Ringe unter den Augen tief, und es lag etwas Bitteres in seiner Art, das sie sich nicht erklären konnte. Sie glaubte nicht, dass es von der Arbeit kam.
    »Ist es wegen Catherine?«, fragte sie.
    Cardinal seufzte einmal tief und sagte nur: »Ja.«
    »Ist sie wieder im Krankenhaus?«
    Es wurde Grün, und Cardinal drückte auf die Tube. Ganz und gar nicht sein Stil.
    »Das hast du doch schon einige Male hinter dir, John. Sie erholt sich wieder, meinst du nicht?«
    »Ich weiß nie, wie es mit Catherine weitergeht. Seit zwei Jahren hat sie sich gut gehalten. Irgendwie hatte ich mir eingeredet, dass es diesmal für immer ist.«
    Noch nie hatte er so viel über die Krankheit seiner Frau herausgelassen. Kummerfalten durchzogen sein Gesicht wie Spannungsrisse eine Scheibe. Delorme wollte etwas sagen – das wird schon, es dauert bestimmt nicht lange, mach dir nicht solche Sorgen –, doch nichts davon war angemessen, und so verfiel sie in Schweigen, was auch nicht passend war.
    Im Frauenhaus ließ Ned Fellows sie im Büro warten, während er hochging, um Terri zu holen. Cardinal lehnte sich anden ausgedienten Kamin und schien jeden Moment einzuschlafen.
    »Ich frag mich, was der so lange braucht«, sagte Delorme.
    Cardinal hatte gerade die Augen geschlossen.
    Wenig später kam Fellows zurück. »Wie’s aussieht, ist unsere junge Freundin ausgegangen«, sagte er. »Sie macht nicht auf, sie ist weder im Fernsehzimmer noch im Speiseraum. Und in der letzten halben Stunde hat sie niemand gesehen. Ich hab ihr eingeschärft, das Gebäude nicht zu verlassen.«
    »Wir auch«, sagte Cardinal. »Und sie wusste, dass wir kommen.«
    »Sie wär natürlich nicht die Erste, die der Polizei aus dem Weg geht.«
    »Sicher, aber sie hat uns angerufen. Sie wollte, dass wir kommen.«
    Fellows

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