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Kalter Mond

Kalter Mond

Titel: Kalter Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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auch von Wombat. Ich meine, das ist sein Kopf in dem Topf da, Kevin, ich weiß also nicht so recht – Sie mögen Ihre eigenen Schlüsse ziehen. Und das sind dann wohl auch seine Finger, würde ich mal vermuten. Kevin, mal ehrlich, meinen Sie, dass Sie auch da drin enden? Wollten Sie nicht mal Dichter werden?«
    Kevin hob das Gesicht vom Boden und versuchte sich zu konzentrieren. Das war nicht leicht, solange Letterman ihn zulaberte und es ihm in den Knochen hämmerte und ihm der Schweiß in die Augen lief. Er machte die Lider ein paarmal fest auf und zu und sah angestrengt hin. In der Wand unter dem Tisch war ein winziger dunkler Fleck, etwa fünfzehn Zentimeter über dem Boden. Die Spitze eines Nagels.

48
     
    D as Ontario Psychiatric Hospital – oder das OH, wie man die psychiatrische Klinik gewöhnlich nannte – liegt nahe dem Highway 11, einige Kilometer westlich von Algonquin Bay. Es ist ein wunderschöner Ort – lange Zufahrt, weitläufiges Gelände, in Kiefernwälder eingebettet. Es spiegelt damit die Auffassung früherer Generationen wider, wonach Menschen, die an geistiger oder emotionaler Verwirrung leiden, mehr als irgendetwas sonst den Rückzug in eine friedliche Umgebung brauchen – ein Asyl.
    Dank der Fortschritte in der medikamentösen Behandlung sowie finanzieller Einschnitte im Gesundheitswesen stehen viele Betten im OH leer. Doch immerhin etwa drei- bis vierhundert Patienten beherbergt es jederzeit rund ums Jahr. Die meisten davon, so genannte chronische Patienten, werden nicht mehr entlassen. Dies schließt die schweren Fälle von geistiger Behinderung wie auch diejenigen ein, die unter irreversibler Demenz leiden. Dabei ist nicht klar, ob der Patient überhaupt etwas von seinen gegenwärtigen Lebensumständen mitbekommt, geschweige denn, was die Zukunft für ihn bereithält oder besser gesagt ihm vorenthält.
    Ein paar der Insassen, wie Catherine Cardinal, sind vorübergehend in der Klinik, bis die akute Phase ihrer Schwierigkeiten abklingt und sie gefahrlos in die Gesellschaft entlassen werden können.
    Dr. Jonas hatte ihr ein Sedativum gegeben und sie über Nacht in Toronto behalten. Danach hatte er sie auf eine neue Medikation umgestellt und sie mit dem Krankenwagen ins OH bringen lassen, da er die Nähe zu ihrem Mann für denwichtigsten Faktor bei ihrer Genesung hielt. Er würde zu ihrem Arzt dort oben eng in Verbindung bleiben.
    John Cardinal saß jetzt bei ihr im Wintergarten auf dem dritten Stock. Sie saßen immer im Wintergarten, wenn er sie besuchte. Später dann, wenn es ihr besser ging, würden sie einen Spaziergang machen, vielleicht sogar eine Spritztour in die Stadt. Doch vorerst blieb ihnen nur dieser überhitzte Raum mit dem vielen Glas und den Vinylsofas und dem Blick auf den Highway und die Bäume. Die Sonne verbarg sich hinter schweren Wolken, und der Regen lief in dicken Rinnsalen die Fenster herunter.
    »Sollte Regengarten heißen«, sagte Cardinal.
    Catherine antwortete nicht. Sie saß am anderen Ende der Couch, die Ellbogen auf die Knie gestützt, den Kopf tief darüber gesenkt, das Gesicht unter dem Haar verborgen – ein Bild des Jammers. Cardinal kämpfte zwischen Mitgefühl und Sorge einerseits und andererseits der Frustration, nicht bei der Fahndung nach Terri Tait im Einsatz zu sein. Sicher, sie hatten sämtliche Abteilungen in Alarmbereitschaft versetzt, und im Moment blieb ihm nicht allzu viel, was er noch für Terri tun konnte, doch es gab noch andere Ansätze, die man hätte verfolgen können.
    »Möchtest du eine Cola?«, fragte er. »Am Ende des Flurs gibt es einen Automaten, ich kann dir eine besorgen.«
    Nichts deutete darauf hin, dass Catherine ihn hörte.
    »Die glauben, dass du diesmal nicht lange hier bleiben musst. Vielleicht nur für ein paar Wochen.«
    Catherine sagte etwas.
    »Wie meinst du? Tut mir leid, Schatz, ich hab dich nicht verstanden.«
    »Bravo, John. Ich sagte, bravo. Bist du nun zufrieden?«
    Cardinal starrte auf das Cover einer Promi-Illustrierten, mit Schlagzeilen über Rosie McDonnell und Julia Roberts.Was mach ich eigentlich hier? Ich sollte unten im Präsidium sein und mit der ViCLAS reden.
    »Gott«, sagte Catherine nach einer Weile.
    Sie war aus freien Stücken in der Klinik, doch das machte die Erfahrung für sie offenbar nicht weniger bitter.
    »Catherine, bitte versuch dich zu erinnern, dass das hier vorübergeht. Es ist in absehbarer Zeit vorbei.«
    »Sicher, John.« Sie richtete ihre dunklen Augen auf ihn, und Cardinal las

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