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Kalter Mond

Kalter Mond

Titel: Kalter Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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Kevin. »Und Kanga ist nie wieder aufgetaucht.«
     
    Da waren sie also: Leon, der Schwätzer, nicht der Boss; Kevin ohne den geringsten Ehrgeiz, irgendetwas zu leiten oder anzuführen, und Toof, völlig außer Konkurrenz. Das war die triste Bühne, auf der Red Bear plötzlich erschien und ihnen das Blaue vom Himmel versprach. Wie hätte ein Junkie da widerstehen können?
    Red Bear steckte sich Algonquin Bay schon bald in die Tasche – mit nicht viel mehr als seinem guten Aussehen und einem Kartenspiel. Oft war er in Everett’s Coffee Bar auf der Sumner zu sehen, dem letzten unabhängigen Coffeeshop. Red Bear saß mit seinem Kartenspiel an einem Tisch an der Ecke, und es dauerte nicht lange, bis die Leute zu ihm kamen. Everett’s hatte nichts dagegen – er brachte Kundschaft rein. Sie bestellten einen Kaffee und gingen zu Red Bear hinüber, um sich von ihm die Karten legen zu lassen. Sie wussten vermutlich, dass er was draufhatte, sonst hätten sie nicht seine gepfefferten Preise bezahlt: fünfundsiebzig pro Mal, aber hallo. Er erstellte auch Horoskope, wofür er das Doppelte nahm.
    Es war schwer, sich mit ihm zu unterhalten, weil ständig jemand zu ihm kam, um sich die Zukunft vorhersagen zu lassen. Kevin hatte keine Ahnung, wie viel er damit verdiente, aber es musste eine Menge sein, und natürlich steuerfrei. Und es brachte ihn mit allen möglichen Leuten zusammen: Die lokalen Musiker kamen zu ihm, und sobald er ein paar Friseure zu seiner Kundschaft zählte, machten die ihn weiter bekannt. Er behauptete, eine Weile in Toronto als Model gearbeitet zu haben – bei seinem Aussehen durchaus möglich –, doch Kevin nahm an, dass er noch eine andere Einnahmequelle besaß.
    Wenn er nicht gerade Karten legte, gab sich Red Bear alle erdenkliche Mühe, Kevin und Leon als Freunde zu gewinnen.Er überließ ihnen Proben vom besten Pot, das sie je probiert hatten, er nahm sie ein paarmal ins Kino mit, und er spendierte ihnen ständig Drinks, obwohl er selber wenig trank. Er schien sich nicht mal an Toof zu stören. Wie die anderen beiden fühlte sich Kevin von so viel Aufmerksamkeit geschmeichelt, auch wenn er immer ein bisschen misstrauisch blieb.
    Im Lauf der folgenden Monate wurde Red Bear ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens. Irgendwann eröffnete er ihnen, womit er sonst noch Geschäfte machte, nämlich damit, mittelgroße Päckchen Kokain und Heroin quer durchs Land zu schicken.
    »Du solltest lieber vor den Viking Riders auf der Hut sein«, warnte ihn Kevin. »Du weißt ja, was mit Kanga passiert ist.«
    »Ich hab keine Angst vor den Riders«, sagte Red Bear. »Ich werde beschützt.«
    »Beschützt?«
    Als Antwort wies Red Bear nur zum Himmel.
    An einem frostigen Frühlingsabend, es musste Ende April gewesen sein oder Anfang Mai, jedenfalls bevor die Mücken kamen, waren sie alle unten am Ufer gewesen. Red Bear hatte ein schönes Feuer gemacht – einen Feueraltar, wie er es nannte –, das stundenlang stetig brannte. Leon und Toof waren da, die ganze Milchstraße schien am Himmel zu funkeln, und vom See blies eine Brise herüber. Am Strand plätscherten leise die Wellen; von einer anderen Uferstelle drang der steigende Geräuschpegel einer Party herüber, doch die Stimmung unter den vier jungen Männern war nachdenklich, ja feierlich gewesen.
    Sie hatten Lebensgeschichten ausgetauscht. Leon stocherte versonnen mit einem Stöckchen im Profil seiner Wanderstiefel herum und pulte den Lehm heraus, während er ihnen über seine Vergangenheit erzählte. Er war das einzige Kind zweier Trinker, von denen einer den anderen getötet hatte, als Leonsechzehn war, und vermutlich nie wieder aus dem Gefängnis kommen würde. Die Narbe an der Stirn hatte er abbekommen, als seine Mutter ihm einen Toaster an den Kopf schleuderte. Toof starrte in die Flammen, so dass der Schein des Feuers in seinen Augen flackerte, während er ihnen erzählte, er sei das jüngste von sieben Geschwistern, von einer verwitweten Mom großgezogen, die drei Jobs zugleich schulterte und nie wusste, welcher ihrer Söhne als Nächstes im Knast landen würde. Kevin gab nicht allzu viel zum Besten. Als die Eltern starben, war er zehn gewesen. Verliebte sich in die Poesie. Flog nach dem zweiten Jahr vom College. Dröhnte sich mit Heroin zu. Kam davon runter. Er sagte nichts davon, dass er wieder mit dem Skin-Popping angefangen hatte – warum die anderen mit allzu vielen Informationen belästigen.
    Alle drei sahen sie Red Bear an. Bis dahin wussten sie

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