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Kalter Mond

Kalter Mond

Titel: Kalter Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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Red Bear mit Leon. Auch Leon sagte, er würde bleiben.
    Dann Toof. Toof, der mickrige Wicht mit seiner Himmelfahrtsnase – fast wie der Rüssel eines Schweins. Im Schein des Feuers sah er wie eine Kreatur der Finsternis aus.
    »Hast du verstanden?«, sagte Red Bear zu Toof. »Du darfst niemals mit irgendjemandem über das hier sprechen.«
    »Werde ich nicht. Versprochen.«
    »Bei Androhung des Todes«, sagte Red Bear.
    »Wegen mir brauchst du dir keine Sorgen zu machen«, sagte Toof. »Ich werd’s keiner Menschenseele sagen, okay? Ihr seid schließlich so was wie meine Brüder.«
    »Genau. Wir sind jetzt deine Familie.«
    Red Bear zog sein Messer aus der Scheide.
    »Wartet hier und verhaltet euch ruhig. Ich bin in zehn Minuten wieder da. Unterdessen redet kein Wort. Starrt in die Flammen und macht euch innerlich leer. Ich werde die Geister um Führung bitten.«
    Red Bear hielt sein Messer hoch über seinen Kopf und reckte sich auf Zehenspitzen in die Höhe, als wartete erdarauf, vom Blitz getroffen zu werden. Er fing an, in einer Sprache zu reden, in der Kevin Ojibwa oder Chippewa vermutete oder weiß der Geier was. Klang anders als alles, was er bis jetzt gehört hatte, voller Schnalz- und Rachenlaute, weniger Sätze als vielmehr ein Auf und Ab von Silben. Es gab eine Menge Wiederholungen. Schließlich ließ Red Bear das Messer sinken und schritt über den Kamm, so dass die Perlen leise klirrten.
    Kevin starrte in die Flammen.
    Von der anderen Seite des Hügels war nichts zu hören, und keine der drei Gestalten, die um das knisternde Feuer saßen, sagte ein Wort.
    Kevins Gesicht glühte heiß, während sein Rücken unangenehm durchgefroren war. Er wünschte sich, in der Stadt zu sein und in der World Tavern ein paar Halbe zu kippen.
    Da war ein Schrei zu hören, und wenig später kam eine dunkle Gestalt über den Hügel. Red Bear beschleunigte seine Schritte und schrie erneut, dann sprang er zwischen sie und das Feuer. Jetzt verfiel er in einen Sprechgesang, während er mit baumelnden Gliedern um die Flammen tanzte. Zuerst war es eigentlich kein Tanz, sondern eher ein Schlurfen im Takt zu seinem leisen Gesang. Der Schatten, den das Feuer von ihm warf, ragte über die Felsen und Bäume rund um die Lichtung.
    Ganz allmählich kam Leben in den Tanz. Red Bear sprang und drehte sich, so dass seine Arme und Schultern im Schein der Flammen schimmerten. Seine Arme waren bis zu den Ellbogen blutverschmiert. Er hatte einen großen Lederbeutel in der Hand, den er um seinen Körper rotieren ließ, während er um das Feuer tanzte, so dass ein doppelt kreisendes Bewegungsmuster entstand. Dann blieb er plötzlich stehen, öffnete den Sack und drehte ihn um. Der Inhalt plumpste in die brennenden Scheite, so dass es Funken sprühte.
    Die anderen drei fuhren unwillkürlich zurück und strichensich hustend über die Kleider. Als Kevin wieder hinsah, brutzelte ein Schweinekopf in den Flammen, dessen kleine Augen fest geschlossen waren und an den Winkeln kleine Fältchen bildeten, als wäre das Ganze zu komisch, wenn es nicht zu traurig wäre. Sein Rüssel war mit Isolierband verklebt. Seine vier Pfoten schmorten rund um den Kopf in der Glut.
    Red Bear stand dicht am Feuer und reckte sich gen Himmel, wobei er jeden Muskel in seinem Körper dehnte. Seine Halsadern traten wie Stromkabel vor. Seine Stimme war dünn und rau geworden, und die Worte sprudelten mit schrecklicher Dringlichkeit hervor.
    Die Worte – falls es denn Worte waren – überstürzten sich. Spucke flog über die Flammen, und an einem Punkt klang es, als würde Red Bear ersticken. Kevin fragte sich, ob er übergeschnappt war. Leon schien nicht sonderlich beunruhigt, während Toof wie ein Kind im Zirkus mit offenem Mund staunte.
    Dann setzte plötzlich Stille ein, und Red Bear schien zu erschlaffen, von dem, was ihn ergriffen hatte, wieder freigegeben. Langsam sank er zu Boden.
    Niemand sprach ein Wort.
    Nach einer Weile fragte Red Bear mit seiner gewohnten Stimme: »Hab ich was gesagt?«
    »Allerdings«, antwortete Kevin. »Sogar ’ne ganze Menge. Nur leider nicht auf Englisch.«
    »Manchmal weiß ich nicht, ob ich einfach nur Stimmen höre oder ob ich sie übermittle.«
    »Also, du hast sie laut und deutlich übermittelt.«
    »Umso besser«, sagte Red Bear. »Wir kennen jetzt die Richtung.«
    »Und wohin soll’s gehen?«, wollte Toof wissen. »Nach Norden?«
    Leon sah ihn mitleidig an. »Nicht die Art Richtung, duSchwachkopf.« Er wandte sich an Red Bear. »Wie

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