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Kalter Mond

Kalter Mond

Titel: Kalter Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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Soweit ich sehen kann, keine Feinde. Sie müssen wirklich so was wie eine Heilige sein, wie Kevin behauptet.« Dies mit einem Seitenblick auf Kevin, der wie auf Kommando lächelte, doch Terri wusste sehr wohl, dass es Kevin nicht lag, von seiner Schwester so zu reden. Wieso sollte er?
    Schnipp, schnipp, schnipp
. Eine nach der anderen landeten die Karten auf dem Tisch. Während er nach und nach die Lücken füllte, gab Red Bear vergnügt seine Kommentare über Terris Zukunft ab. Dann landete der Kreuzbube quer über dem Herzkönig, und Red Bears Ton änderte sich.
    »Na schön. Eine Wolke am Horizont. Ein Rückschlag. Vielleicht auch etwas Schlimmeres.«
    Seine Augen hatten irgendeinen genetischen Defekt, so dass die Iris fast keine Farbpigmente besaß.
    »Sagen Sie’s«, ermunterte Terri ihn, als er zögerte. Nicht, dass sie an Karten glaubte oder an Handlesen und all den anderen New-Age-Quatsch. Immerhin las sie ab und zu ihr Horoskop in der Zeitung, um zu sehen, wie weit es danebentraf. »Sagen Sie’s«, wiederholte sie. »Ich bin hart im Nehmen.«
    »Na schön, Terri«, sagte Red Bear. Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme über der Brust. Der Bizeps spielte unter weißen Ärmeln. Er sprach in sachlichem Ton, wie ein Arzt, der schlechte Neuigkeiten hat. »Alles, was ich Ihnen bis jetzt gesagt habe – gute Gesundheit, keine Geldprobleme und auch sonst alles im grünen Bereich, das ist alles wahr. Das ist Ihnen sicher …«
    »Aber?«
    Er tippte mit dem manikürten Finger auf den Kreuzbuben. »Das ist eine Todeskarte.«
    »Hey, nun mach aber mal halblang.« Kevin hatte sich über den Tisch gebeugt und schläfrig das Kinn auf die Faust gestützt. Jetzt richtete er sich gerade auf. »So was darfst du den Leuten nicht ins Gesicht sagen.«
    »Kevin«, sagte Red Bear ruhig. »Nicht überreagieren.«
    »Du kannst nicht einfach daherkommen und einem erzählen, er würde bald sterben. Was soll das werden? Willst du sie in Panik versetzen? Sie ist meine Schwester, Mann.«
    »Hörst du mir bitte mal zu?«
    »Schon gut«, sagte Terri. »Beruhig dich, Kevin.«
    Red Bear deutete noch einmal auf die Karte. »Ist wirklich so. Die hier ist eine Todeskarte. Aber der Tod bedeutet bei einer Karte noch lange nicht den Tod. Es ist wie der Tod in einem Traum. Kann genauso gut eine große Veränderung bedeuten.« Red Bear sammelte die Karten ein. »Seien wir bitte schön nicht so feierlich. Ich wollte Sie nicht erschrecken. Ich sage nur, was ich sehe – die Möglichkeiten. Wir haben alle unser Leben selbst in der Hand.«
    »Ich mag diesen ganzen Karten-Kilefitz nicht«, sagte Kevin.
    »Genauso gut kannst du das Wetter nicht mögen«, sagte Red Bear. »Davon, dass man es nicht mag, wird es noch lange nicht besser. Und jetzt wirklich, denken wir an was Schöneres. Deine Schwester ist hier, die Sonne scheint, keine Zeit, um Trübsal zu blasen.«
    Die Hütte, das Lager und Kevin verschwammen vor ihrem geistigen Auge, und Terri war wieder in der Gegenwart, im Aufenthaltsraum für Patienten.
    Die Mädchen am anderen Ende des Zimmers bogen sich vor Lachen. Ihre Stimmen hallten von den gefliesten Wänden und den Plastikmöbeln wider und taten Terri in den Ohren weh. Sie warf ihnen einen bösen Blick zu, doch in dem Moment blitzte eine andere Erinnerung vor ihr auf und löschte die Mädchen, das Zimmer, die Klinik aus.
    Sie erwachte und sah, wie die Sonne in Wasserkaskaden funkelte und winzige Regenbogen im Sprühwasser schimmerten. Sie erwachte und hörte, wie sich das Rauschen des Wassers mit dem Summen von Insekten mischte. Die Fliegen. Es waren nicht einmal viele. Nur eine Hand voll, die um die entsetzliche Gestalt auf dem Boden der Höhle schwärmten. Und dieser Geruch. Wo war das? Wie war sie dorthin gekommen? Hier brach die Erinnerung ab, doch selbst dieser Bruch-teileiner Sekunde genügte, um ihr Angst- und Ekelschauer den Rücken herunterzujagen.
    »Alles in Ordnung?«
    Terri sah auf und blickte in das besorgte Gesicht einer Schwesternschülerin.
    »Ich muss zur Toilette«, sagte sie. »Ich glaube, ich muss mich übergeben.«

20
     
    W ie wär’s, wenn du fahren würdest?«, sagte Leon. »Ich mach’s mir hinten bequem. Mein Knie bringt mich um.«
    Kevin setzte sich hinters Lenkrad und Toof auf den Beifahrersitz neben ihm. Seine Klamotten stanken nach Gras.
    »Ich fass es nicht«, sagte Toof. »Du gibst deinen TransAm aus der Hand?«
    »Mein Knie spielt sich ’n bisschen auf«, sagte Leon. Er legte

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