Kalter Mond
Nein, achtundzwanzig. Nein, warte, ich bin mir nicht sicher. Ich glaube, achtundzwanzig.«
»Mann, das ist toll, Toof. Dann muss es wohl darum gehen.«
Leon legte Kevin die Hand auf die Schulter. »Die nächste links.«
Kevin bog auf einen Weg ab. Er führte schon bald auf die Baustelle einer neuen Wohnsiedlung. Keines der Häuser war fertig. Der Weg wurde immer holpriger, und sie fuhren an Bulldozern und Löffelbaggern vorbei. Die Bautrupps hatten schon Feierabend.
»Da am Ende rechts.«
Der Wagen senkte sich und schwang sich über tiefe Reifenspuren im Lehm. Dann fuhr Kevin in den Seitenweg, der immer schlimmer wurde, bis es gar kein Weg mehr war. Sie kamen an einem Bauhof vorbei, und dann gab es nur noch Bäume weit und breit.
»Ich sag euch, worauf ich an meinem Geburtstag wirklich Lust hätte«, sagte Toof. »Worauf ich wirklich Lust hätte, ist ’ne Reise nach Tahiti. Oder vielleicht Hawaii. Wo die Mädchen in Grasröcken und oben ohne rumlaufen.«
»Ich glaube nicht, dass Red Bear dir so was schenken würde, Toof.«
»Nein, nein, das weiß ich auch. Hey, ich würde mich schon über eine neue CD oder so freuen. Kino und Popcorn. Also, das wär’s eigentlich, genau, wozu ich Lust hätte. Lasst uns alle ins Kino gehen. Der Film mit diesem Rock ist gerade angelaufen.«
»Na ja, wieso nicht, es ist dein Geburtstag, du bestimmst, was du machen willst. Halt hier irgendwo an, Kevin.«
»Ich werd uns für morgen einen großen Kuchen bestellen. Schokotorte, drei Stockwerke hoch, Mann. Und nach dem Kino könnten wir heute Abend ins Chinook. Ich brauch kein Schickimicki-Restaurant. Ich würde das Chinook diesem Bangkok-Schuppen sowieso jederzeit vorziehen. Ja, lasst uns da reingehen.«
Kevin hielt an. Toof ließ sich immer noch über das Chinook aus, als ein lauter Knall ertönte. Toof wurde so heftig nach vorne geschleudert, dass sein Kopf auf das Armaturenbrett aufschlug. »Was war das, zum Teufel?«, fragte er. Er lehnte sich wieder zurück und verdrehte die Augen. Er schüttelte den Kopf. »Habt ihr das auch gehört?«
Der Schießpulvergeruch war unerträglich. Leon saß vorgebeugt, die Pistole auf die Rücklehne gestützt.
Kevin wollte etwas sagen, bekam aber keinen Laut heraus.
Leon feuerte noch einmal.
Toof kippte nach vorn, langsamer diesmal. Er stützte sich am Armaturenbrett ab, um sich aufzurichten. »Mann, mit meinen Augen stimmt was nicht«, sagte er. Seine Stimme klang, als wäre er gerade aus einem ausgiebigen Mittagsschlaf erwacht. »Ich kann nicht richtig sehen.«
Toof stieg aus dem Wagen und stützte sich am Kotflügel ab. Sein Hinterkopf war klatschnass, und das Blut lief ihm die Jacke herunter.
»Scheißknarre«, sagte Leon und stieg ebenfalls aus.
Kevin wollte wegrennen, wollte heulen, merkte aber, dass er weder das eine noch das andere konnte. Es fühlte sich an, als seien seine Beine mit Novocain voll gepumpt.
Der Kofferraum ging auf und klappte zu. Dann kam Leon mit einem Baseballschläger vorne um den Wagen herum und trat hinter Toof. Er schlug ihm auf den Kopf, und Toof ging zu Boden.
»Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag«, sagte Leon.
21
W enn er sich Mühe gab, war John Cardinal ein leidlicher Koch. Er gehörte nicht zu denen, die sich mit Tiefkühl-Fertiggerichten und Pizzaservice behalfen, wenn die Frau fort war.
Catherines zahlreiche Krankenhausaufenthalte hatten ihn schon vor langer Zeit gezwungen, sich mit der Küche vertraut zu machen. Zu seinen schönsten Erinnerungen gehörten die an Kelly, wenn sie ihm als kleines Mädchen »half«, ihm die Äpfel in viel zu große Stücke schnitt und sich das Haar mit Kuchenteig verschmierte.
Er machte sich ein Hühner-Curry und aß es vor dem Fern-seher, sah zuerst die Nachrichten und zappte dann eine Weile herum. Es lief nichts Gescheites, und so ging er in den Keller und machte sich an ein bisschen Tischlerarbeit. Er kümmerte sich um ein breites Regal für Catherines Dunkelkammer, nichts Schwieriges, nur dass er beim Ausschneiden der Nuten mit dem Grundhobel aufpassen musste. Catherines Dunkelkammer gehörte zu den ersten Dingen, die er im Haus angefertigt hatte, das war schon lange her; jetzt gingen ihm allmählich die Projekte aus.
Das Arbeiten mit Holz war Cardinals einziges Hobby. Er liebte den Geruch von Sägemehl, die rauen Oberflächen in den Händen, und er genoss dieses befriedigende Gefühl, nachdem er einen Job abgeschlossen hatte, selbst so einen bescheidenen wie ein Regal. Beim Gesetzesvollzug hoffte
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