Kalter Schlaf - Roman
und intellektueller Snob.«
Er fuhr empört auf. »Glaubst du? Hör zu, ich bin in Birmingham geboren und aufgewachsen und schäme mich meiner Wurzeln nicht. Und bei der Polizei bin ich seit …«
Julian fuhr zusammen, als Kate ihren Füller auf den Tisch warf.
»Ich habe nichts über deine Herkunft gesagt! Ich bezweifle deine beruflichen Fähigkeiten keineswegs, Bernie, aber hier haben die Oberen und du völlig unrecht. Das kannst du mir glauben!«
»Verdammte Südengländer!«
In diesem Augenblick kam Joe herein. Er trug ein Tablett mit Kaffeebechern vom Automaten, weil der KUF der Kaffee ausgegangen war.
»Okay, Leute, alle mal herhören. Ich habe gerade etwas Interessantes erfahren.«
Alle wandten sich ihm zu.
»Malin wird nicht mehr wegen Mordes angeklagt. Unwiderlegbares Alibi, volle Berücksichtigung von Dr. Hansons Einwänden.«
»Was?«, knurrte Bernie wie eine Bulldogge, die einen besonders leckeren Knochen verschwinden sieht. »Wo war er also, als Jody entführt wurde?«
»Er hat versucht, mit zwei Komplizen in einen Baumarkt in Weoly Castle einzubrechen. An einem beschädigten Schloss waren DNA -Spuren von ihm. Dafür ist er gleich wieder verhaftet worden.«
In der nun folgenden Stille starrten Kate und Bernie sich an. Er nahm sich einen Kaffeebecher.
»Okay. Vielleicht hat er Jody doch nicht ermordet …«
Kate funkelte ihn an. »Was meinst du mit vielleicht?«
»Trotzdem kann er Molly ermordet haben. Ich will nur hoffen, Doc, dass nach seiner Entlassung nicht wieder eine Frau entführt und ermordet wird.«
»Sollte das passieren, liegt es nicht an Malins’ Entlassung«, fauchte sie.
Joe sah Kate an. »Was ist mit deinem Arm passiert? Hast du wieder gerauft?«
Kate runzelte die Stirn. »Rosenstrauch. Ich habe Mugger gesucht. Er ist verschwunden.«
Joe musterte sie einige Sekunden lang, dann nickte er und ging zur Tür. Zu weiteren Bewerbungsgesprächen. Kate sah ihm nach. Sie hatte ihm nicht erzählt, dass sie diesen Abend mit Maisie zu Hause verbringen würde. Sie musste an ihren Notizen arbeiten. Und wenn ihre Theorie sich bewahrheitete, würde sie sie den anderen mitteilen.
Ihr Blick streifte Bernies Gesicht. Schön wär’s.
Das Telefon klingelte. Er nahm den Hörer ab und blaffte hinein.
»Watts! … Jo.« Er sah mit hochgezogenen Augenbrauen zu Kate hinüber. »Sieh mal einer an. Gut, wir kommen.« Er legte auf. »Wir haben Besuch.«
Kate rief rasch Phyllis an, um sie wissen zu lassen, dass sie vielleicht etwas später als sonst nach Hause kommen würde, dann folgte sie Bernie zur Tür.
66
Kate und Bernie gingen miteinander zum Empfang. Am Ende des kurzen Korridors sahen sie fünf Leute sitzen: zwei Frauen und drei Männer. Eine der Frauen, die Mitte dreißig zu sein schien, hatte eine aufgeschlagene Zeitschrift auf dem Schoß liegen; die andere war einige Jahre älter, trug eine graubraune Jacke und hatte eine Einkaufstasche vor ihren Füßen stehen.
»Das muss sie sein. Die mit der Zeitschrift«, sagte Kate leise, als sie die Theke erreichten.
Bernie sah Whittaker mit hochgezogenen Augenbrauen an. Als der Constable zustimmend nickte, ging er auf die Lesende zu. Kate, der ihr unbehaglicher Waffenstillstand mit Bernie bewusst war, folgte ihm. Sie hörte zu, wie Bernie sich der Frau vorstellte, die ihre Zeitschrift weglegte und lächelnd zu ihm aufsah.
»Ah. Ich habe die Nachricht vom Anruf Ihres Departments vor einigen Tagen über die Universität erhalten. Mein Name ist jetzt Amélie Dijon-Masterson. Bitte nennen Sie mich einfach Amélie. Ich bin für ein paar Tage in Birmingham und dachte, ich sollte selbst vorbeikommen, um Ihre Fragen zu beantworten.«
Sie war damit einverstanden, das Gespräch in dem benachbarten kleinen Vernehmungsraum zu führen, und stand auf, um ihnen zu folgen. Groß, das fiel Kate gleich auf. Sobald sie saßen, betrachtete sie die Frau genauer.
Amélie Dijon-Masterson war eine schlanke Blondine, die zu ihrer schmal geschnittenen, schwarzen Hose ein beiges Top und schwarze Pumps mit niedrigen Absätzen trug. Attraktiv. Keineswegs plakativ sexy. Nicht hochmodisch. Aber war das auch Mitte der Neunzigerjahre ihr Stil gewesen?
Binnen fünf Minuten bestätigte Mrs. Dijon-Masterson, die jetzt in Oxford lebte und fast akzentfreies Englisch sprach, ruhig und gelassen, sie sei im Juni 1996 überfallen worden. Damals hatte sie an der Universität Birmingham studiert. Bernie fragte sie nach persönlichen Eindrücken von dem Vergewaltiger. Sie antwortete
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