Kalter Schlaf - Roman
vorwärtsgeschoben wurde, während ein Arm ihren Oberkörper umschlang.
Seine Stimme blieb leise. »Ich habe etwas, das du unbedingt sehen musst, du neugierige Schlampe. Neiiin, lass das! Versuch nicht, dich loszureißen. Komm schon, langsam … ganz langsam … Ja, so geht’s. Siehst du? Wir sind zwei Kollegen, die … kooperieren.« Sein Arm packte noch fester zu. »Also, es geht doch … braves Mädchen … komm, so ist’s recht … noch ein bisschen weiter.«
Kate nahm flüchtig die Einrichtung der Werkstatt wahr, die hell beleuchtet auf dem dunklen Gelände des ehemaligen Herrenhauses Winterton stand. Unerwartet traf ein Tritt ihr verletztes Bein. Die Wunde blutete wieder stärker, sodass Kate das Gefühl hatte, der Boden schwanke unter ihr.
Ihr Kopf sackte nach vorn, aber sie wusste, dass sie bei Bewusstsein bleiben musste. Ihr einziger Gedanke war, dass sie – was immer geschah, was immer er tat – auf keinen Fall zulassen durfte, dass er sie in diese Werkstatt schleppte. Sie spannte ihren Körper an. Er reagierte sofort auf gleiche Weise, da er mit Widerstand rechnete.
Im nächsten Augenblick entdeckte Kate sie. Auf dem Betonboden auf dem Bauch liegend. Ein schmutziger rosafarbener Tennisrock, eine Hand über den Kopf ausgestreckt. Ihre dunkelblonden Locken umgaben den Kopf auf dem staubigen Beton wie eine Haarkrone.
Dieser Anblick und die Vorstellung, was das Haar verbergen mochte, waren zu viel für Kate. Sie schlug mit dem Hinterkopf gegen seine Brust. Seine Hand rutschte einen Augenblick von ihrem Mund ab. Als er wieder zupackte, biss Kate ihn kräftig in einen Finger.
Er ließ schimpfend von ihr ab. »Verfluchte Schlampe! Na warte, das zahl ich dir heim, darauf kannst du …«
Kate fuhr herum.
Er funkelte sie mit wutverzerrtem Gesicht an. »Ich werde dir einen Denkzettel verpassen, den du …«
Dann stieß er plötzlich einen heiseren Schrei aus und wurde auf unerklärliche Weise seitlich von Kate weggerissen. Sie taumelte rückwärts, rutschte die Mauer entlang zu Boden und nahm ihre Umgebung nur mehr undeutlich wahr, obwohl sie seine Stimme deutlich hören konnte, als er jetzt kreischte: »Meine Arme! Lass meine Arme los, du Scheißkerl!«
Kate hob langsam den Kopf. Er stand, die Beine gespreizt und die Arme hinter dem Rücken hochgerissen, an der Wand. Kate hätte schwören können, dass sie hörte, wie Knochen sich an Knochen rieben.
Er wimmerte. »Du … du hast mir den Arm gebrochen.« Seine Stimme wurde lauter. »Ich verklage dich wegen Misshandlung, du Irrer! Lass mich los! Ich brauch Hilfe, mein beschissener Arm ist kaputt!«
Die Stimme ihres Retters an Kates Ohr, halblaut, mit typischem Akzent: »Ja, flenn nur, Creed. Wehr dich weiter, dann schieß ich dir den verdammten Kopf runter.«
In diesem Augenblick kamen Bernie und fünf weitere Polizeibeamte herangestürmt und umringten Joe, der breitbeinig über dem vornübergebeugten Gefangenen stand und dessen Schulterhalfter sich dunkel vor seinem weißen Oberhemd abzeichnete.
Kate sah zu der offenen Werkstatt. Chelsey! Sie hatte sich nicht bewegt.
Kate war noch niemals ohnmächtig geworden. Jetzt schien sie kurz davor zu sein. Ihr Sportschuh war voller Blut, aber sie rappelte sich auf, ohne das im hinteren Teil der Werkstatt liegende Mädchen aus den Augen zu lassen, und wankte benommen darauf zu – von der grausigen Vorstellung getrieben, sie seien zu spät gekommen, sodass sie nur noch ein grässlicher Anblick erwarte.
In der Werkstatt ließ sie sich unsicher auf die Knie sinken und legte eine Hand auf Chelseys Schulter. Warm. Sie betrachtete die ausgestreckte Hand des Mädchens, sah etwas Kleines zwischen den Fingern. Sie griff danach. Dann streckte sie ihre zitternde Hand erneut aus und strich Chelsey die Haare aus dem Gesicht. Das Mädchen bewegte sich und wimmerte leise.
Kate spürte kräftige Hände auf ihren Armen. Als sie sanft hochgezogen wurde, hinterließ sie eine dunkelrote Spur auf dem Beton.
»Komm jetzt, Kate. Lass es gut sein. Komm, Schätzchen – die anderen kümmern sich um sie.«
Sie wand sich schwach, umklammerte das, was sie Chelsey aus den Fingern genommen hatte, und begriff kaum, was sie eben gehört hatte. Bernie hatte sie bei ihrem Vornamen genannt. Noch nie zuvor. Niemals.
Eine Polizeibeamtin kniete neben dem Mädchen, das sich auf dem Boden der Werkstatt bewegte.
»Gesicht … Gesicht?«, murmelte Kate, die nicht mehr sagen konnte.
Sie merkte, dass sie aus dem Gebäude ins Dunkel
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