Kalter Schlaf - Roman
gewesen. Rote Flecken. Valentinstag. Februar. Februar! Feuerwerk – November. Hier ging es um Monate des Jahres.
Sie betrachtete den Abstrich und die Nullen, deren Bedeutung jetzt auf der Hand lag. Dies war kein richtiges Wort, sondern ein Ausruf. Ein Brauch, den sie von Besuchen in den Vereinigten Staaten kannte. Im Oktober schickten die Amerikaner sich Karten zu Halloween – oft mit einem Buhruf, der harmlosen Schrecken verbreiten sollte. Auf Englisch lautete er natürlich:
Boo!
Kate starrte das an, was sie sich notiert hatte. Tableaux. Aufbahrung. Posieren. Sie schüttelte langsam den Kopf. Wieso hatte sie das nicht erkannt? Wieso hatte sie das nicht erraten, als sie die von Dennis Jackson bei Romsley gemachten Polaroid-Fotos gesehen hatte? Sie atmete tief durch, dann flüsterte sie:
»Er fotografiert, was er liebt – sein Lebenswerk.«
Sie blätterte wieder in ihrem Notizbuch bis zu ihren Notizen über die beiden vergewaltigten Frauen, die in der Rose Road gewesen waren, um ihre Aussage zu Protokoll zu geben. Aber sie wusste jetzt, dass es drei Aussagen gab, von denen die dritte unvollständig geblieben war. Josie Kenton-Smith und Amélie Dijon hatten ausgesagt und waren am Leben geblieben. Suzie Luckman hatte ihre Aussage abgebrochen – und war ermordet worden.
Suzie hat jemanden gesehen.
Jemanden, der ihr bekannt vorgekommen ist.
Jemanden, der sie an ihr schreckliches Erlebnis erinnert hat.
Und vielleicht ist sie von ihm erkannt worden?
Als Suzie später, tapferer, nochmals in die Rose Road gekommen ist, um Informationen über die Polizeiarbeit zu erhalten …
Vielleicht hat er sie bei dieser Gelegenheit gesehen.
Er hat gefürchtet, sie sei gekommen, um ihn anzuzeigen.
Das durfte er nicht riskieren.
Er wusste, wo sie hier und in London lebte.
Und Suzie Luckman musste sterben.
In diesem Augenblick klingelte das Telefon, und ein weiteres Puzzleteilchen fiel an seinen Platz. Die Vermittlung in der Rose Road hatte ihre Privatnummer nicht gehabt. Kate stand auf, trat an die Arbeitsplatte und öffnete die Schachtel mit Fotos und Andenken. Der Gegenstand, den sie zuletzt hineingeworfen hatte, lag noch obenauf. Sie wandte sich ab, ging zu dem Altpapierkorb neben der Tür, nahm einen Packen Zeitungen heraus und begann zu suchen. Bald hatte sie gefunden, was sie suchte: die Evening Mail von letztem Samstag. Sie schlug den Unterhaltungsteil auf und fand eine kurze Notiz. Das erfolglose Stück war nach wenigen Aufführungen am Vortag abgesetzt worden.
Kate fühlte sich förmlich überrollt. Nun wusste sie, weshalb er Jody nicht so lange wie seine früheren Opfer beobachtet hatte. Er war bei der Spurensicherung an der Umgehungsstraße dabei gewesen. Er hatte sein historisches eigenes Werk gesehen. Er hatte gehört, wie seine Kollegen darüber sprachen. Eine nachdrückliche, berauschende Erinnerung an die eigene Grausamkeit. Unabhängig davon, wie viele andere Frauen seit damals unter seinen Händen gestorben waren, hatte die Entdeckung der sterblichen Überreste von Molly James und Janine Walker, die zu neuen Ermittlungen der KUF geführt hatten, wieder den alles verzehrenden Drang ausgelöst.
Er musste es wieder tun. Er konnte nicht warten.
Und Jody war sein Opfer.
Aus der Diele war Phyllis’ Stimme zu hören.
»Kate? Dieser Amerikaner hat gerade angerufen, aber dann wurde die Verbindung unterbrochen. Nun ist er am Apparat. Bernie Watts …«
Kate lief hinaus, um ihr den Hörer aus der Hand zu nehmen.
»Bernie! Hast du gehört, was passiert ist? Weißt du …«
»Doc?« Die Verbindung war schlecht. »Deine Maisie ist nicht …«
»Nein, Maisie ist hier. Es geht um Chelsey. Sie ist verschwunden, aber …«
»Verdammt! Corrigan … ich sind … der Rückfahrt. Wir sind … in ungefähr … halben Stunde … dir.«
»Hör zu, Bernie, ich glaube, ich weiß, wer … hallo? Hallo?«
Als die Verbindung abriss, legte Kate auf und ging in die Küche zurück. Sie sah auf ihre Liste. Ihr Herz jagte, als sie sich einzelne Punkte ins Gedächtnis rief.
Seine kalte Art, Verletzungen abzutun. Julians Unruhe und Bedrücktheit. Alles an ihm eine einzige Lüge. Kate fuhr sich mit dem Handrücken über ihre feuchte Stirn, während sie ins Leere starrte. Alle Teile des Puzzles fügten sich wie von selbst zusammen. Julian unter Drogenverdacht? Drogen in Maisies Zimmer?
Er ist hier im Haus gewesen!
Er hatte die ganze Zeit mit ihnen, mit ihr kommuniziert. Sehr subtil, aber eigentlich unverkennbar. Sie hatten es
Weitere Kostenlose Bücher