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Kalter Schlaf - Roman

Kalter Schlaf - Roman

Titel: Kalter Schlaf - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A J Cross
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Mittelbraunes Haar, oben schütter werdend, durchschnittlich groß, stämmig. Sie registrierte das breite, bartlose Gesicht, den sinnlichen Mund. Kevin Osbourne. Prominenter Strafverteidiger. Miserabler Ehemann.
    Er trank einen Schluck Kaffee, ohne den Blick von ihr abzuwenden. »Hast du dir schon mal überlegt, Kate, dass unsere Ehe hätte halten können, wenn nur einer von uns einen akademischen Beruf gehabt hätte?«
    Kate legte ihren Stift weg und sah zu, wie er sich ein weiteres Plätzchen nahm. »Ich verstehe, was du meinst, Kevin«, sagte sie locker. »Du als Hausmann und ich als arbeitende Akademikerin.«
    Kevin grinste schwach. »Gut, Kate, aber du weißt, dass darin ein Körnchen Wahrheit steckt.« Er sah sie über den Tisch hinweg an und wiederholte den Gedanken, den sie vorhin auch schon gehabt hatte. »Nicht alles war schlecht. Ich kann mich auch an schöne Zeiten erinnern …«
    Sie grub Erinnerungen aus. »Als ich mit Maisie schwanger zu Hause war und du in der Kanzlei Dolores ›nähergekommen‹ bist?«
    Er schüttelte den Kopf. »Wieso wieder mit dem alten Zeug anfangen? Das war eine schwierige Zeit für mich … für uns«, fügte er hastig hinzu.
    Kate betrachtete ihn nachdenklich. »Hm … ich weiß noch, wie überrascht du warst, als du gemerkt hast, dass Babys Zeit und Fürsorge brauchen.« Sie seufzte und wechselte das Thema. »Wie war’s bei Gericht?«
    »Heute ist ein Verfahren zu Ende gegangen. Mein Mandant soll sich an der neunjährigen Tochter seiner Partnerin vergangen haben. Die Anzeige ist von besagter Partnerin gekommen, von der er sich nach heftigen Auseinandersetzungen im Streit getrennt hatte. Keine physischen Beweise, die einzige Zeugin war das kleine Mädchen selbst.« Bei diesem letzten Satz zuckte er mit den Schultern.
    »Und das ist relevant? Bei wie vielen sexuellen Übergriffen in Familien gibt es externe Zeugen?«
    Kevin betrachtete die Decke über sich. »Die Geschworenen haben ihr Urteil gefällt, Kate. Sie haben ihn freigesprochen.«
    »Du handelst also noch immer amoralisch? Du hilft Schuldigen, ungestraft davonzukommen.«
    »Ach, leg ’ne andere Platte auf«, schnaubte er. »Du weißt nicht, ob er schuldig war. Außerdem weißt du so gut wie ich, wie das System funktioniert. Oder du müsstest es eigentlich wissen, da dein Vater selbst ein Teil davon gewesen ist.«
    Auch Kates Vater war Strafverteidiger gewesen. Diese Tatsache führte Kevin bei solchen Diskussionen unweigerlich an. Ihr Stuhl scharrte über den Küchenboden, als sie aufstand und an dem schwarzen Aktenkoffer und dem dunkelblauen Matchsack mit seinem Monogramm neben Kevins Platz vorbei zur Kaffeemaschine ging. Sie erwiderte:
    »Ich kenne das System. Es sanktioniert die Einschüchterung von Opfern und gestattet es Profis wie dir … Wie viel Angst hat die neunjährige Zeugin übrigens vor dir gehabt, als du sie ins Kreuzverhör genommen hast?«
    Er war sichtlich aufgebracht. »Rede keinen Mist, Kate! Sie war nicht mal im Saal. Sie hat ihre Aussage live vor einer Videokamera gemacht.«
    »Das ist immerhin etwas«, sagte Kate, nahm seinen Teller vom Tisch und stellte ihn in den Geschirrspüler. Sie drehte sich um, lehnte sich an die Arbeitsplatte aus Granit und verschränkte die Arme. Kevin beobachtete sie kopfschüttelnd.
    »Hör endlich auf, so gottverdammt idealistisch zu sein. Niemand erwartet von mir oder bezahlt mich dafür, dass ich meine persönlichen Werte und Überzeugungen preisgebe. Das Rechtssystem basiert nicht auf Prinzipien . Dein Problem ist, dass du immer glaubst, dort draußen müsse es eine Wahrheit geben. Die gibt es nicht! Alles ist relativ.«
    »Ja, klar doch. Was auch immer«, sagte Kate, die selbst merkte, dass sie wie Maisie klang.
    »Wie ich höre, versuchst du noch immer, dich allgemein verständlich auszudrücken. Willst du deine Herkunft aus dem Mittelstand verleugnen? Oder macht das der Einfluss dieses Grobians von einem Polizeibeamten, mit dem du zusammenarbeitest?«
    Sie ignorierte seine Anspielung auf Bernie Watts und betrachtete ihn mitleidig. »In was für einer grauen Welt du lebst …«
    »Ach, halt die Klappe«, murmelte er gereizt.
    »Ah, jetzt drückst auch du dich allgemein verständlich aus?«
    »Was berufliche Arbeit betrifft, überlasse ich den hochmoralischen Standpunkt dir, Kate, und wir werden ja sehen, wie weit du damit kommst. Durch deine Zusammenarbeit mit der Polizei riskierst du einiges, ist dir das klar?«
    So ging es immer, wenn sie zusammenkamen. So

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