Kalter Schlaf - Roman
Erzählweise machte. Bernie starrte ihn angewidert an.
Auf ein von Joe heimlich gegebenes Zeichen hin war eine Polizeibeamtin hereingekommen.
Bernie, der Colley nicht mehr aus den Augen ließ, sagte langsam und nachdrücklich: »Also, passen Sie auf! Sie gehen jetzt mit dieser netten Beamtin. Police Constable Sharma nimmt Sie in einen anderen Raum mit, damit Sie eine vollständige Aussage über den fraglichen Tag machen können. Erzählen Sie ihr alles, woran Sie sich erinnern. Aber wirklich alles . Kommen Sie uns nicht mit diesem ›Weiß-ich-nicht-mehr‹-Scheiß.«
Er sah zu Rita Sharma hinüber, die kurz nickte, und wandte sich wieder an Colley. »Wenn Sie zu Protokoll genommen hat, was Sie zu erzählen haben, und wenn Sie sich anständig aufgeführt haben, bekommen Sie vielleicht eine Tasse Tee. Sobald wir Ihre Aussage gelesen haben, sehen wir uns wieder. Und jetzt Beeilung!«, fügte er barsch hinzu.
Colley, der ganz grau im Gesicht war, beeilte sich, den Raum zu verlassen, und PC Sharma folgte ihm.
Drei Minuten später waren die drei wieder in ihrem Büro, wo Julian an ihren Lippen hing.
»Er war dort, der kleine Dreckskerl«, polterte Bernie. »Im Einkaufszentrum. Wie kommt’s, dass die ursprünglichen Ermittler nie … Aber was sage ich da? Nachdem der Arsch die Ermittlungen geleitet hat, ist es ein Wunder, dass es überhaupt irgendwas gibt, mit dem wir arbeiten können.«
»Genau deshalb werden wir diesmal verdammt gründlich vorgehen«, sagte Kate, die ihre Notizen durchblätterte.
Joe lehnte sich, die Hände im Nacken gefaltet, zurück. »Gut gebrüllt, Red.«
Kate schüttelte den Kopf. »Wenn ihr meine Meinung zu Colley hören wollt: Er hat nichts mit Molly James’ Verschwinden zu tun gehabt.«
»Nicht mal, wenn man die wirklich interessante Lüge berücksichtigt?«, fragte Joe. Damit meinte er die Behauptung, Colley habe einen Termin bei einer Bewährungshelferin gehabt. Das hatte auch Kate bezweifelt, weil es sehr unwahrscheinlich war, dass eine Bewährungshelferin morgens anrief, um einen Termin am selben Tag zu vereinbaren. Sie nickte Joe zu. Wie schafft er das nur?, fragte sie sich. Woher hat er die Fähigkeiten für die Befragungen und die psychologischen Kenntnisse? Und der alte Praktiker Bernie war die meiste Zeit nicht viel schlechter.
Sie sah zu Bernie hinüber, dessen Gesichtsausdruck sie an eine Bulldogge mit Zahnschmerzen erinnerte, und wusste, dass sie seine Laune gleich verschlechtern würde.
»Auch wenn man Colleys Verschlagenheit berücksichtigt, hat er Molly James nicht entführt.«
Bernie starrte sie an und verschränkte langsam die Arme. »Nicht schon wieder! Bloß keine voreiligen Schlüsse, okay? Ich weiß, dass du eine Theorie hast, aber dafür ist’s noch zu früh.«
Sie seufzte. Bernie war kein Dummkopf. Ein politisch unkorrekter Albtraum, ja, aber kein Dummkopf. Colley musste vermutlich schon aus Prinzip weiter überprüft werden, aber ihre ganzen theoretischen Kenntnisse über Sexualstraftäter bestätigten Kate in ihrer Meinung, dass Colley nicht Molly James entführt und ermordet hatte. Sie schüttelte den Kopf.
»Dass seine Aussage etwas wirklich Interessantes enthält, ist äußerst unwahrscheinlich.«
»Hör zu, Doc, er stammt vielleicht vom Bodensatz des Genpools und sieht wie jemand aus der Sesamstraße aus, aber er ist ein Sexualstraftäter, und wir wissen jetzt, dass er in dem Einkaufszentrum war. Du kennst diesen Typ – oder solltest ihn wenigstens kennen. Leuten wie Colley ist alles zuzutrauen.«
Joe grinste Kate an, als sie die Augen verdrehte. Bernies Problem war, dass er Theorien verachtete und sich stets nur auf sein Bauchgefühl verließ. Kate wusste natürlich, dass Colley ein wegen verschiedener Delikte vorbestrafter Sexualtäter war. Ihr war auch bewusst, dass seine Erscheinung und sein Auftreten gewirkt hatten, als komme er direkt aus dem Besetzungsbüro. Aber das alles genügte nicht.
Bernie seufzte resigniert. »Also gut. Leg los, Doc, erzähl uns, wieso er nicht infrage kommt.«
Kates Kommentare richteten sich an die beiden Beamten, weil Julian wieder vor dem Computer saß.
»Stellt euch Molly vor«, sagte sie. »Was wissen wir über sie? Gebildet. Vermutlich sehr redegewandt, selbstbewusst, sozial cool. Einem Kerl wie Colley hätte sie nicht mal einen guten Tag gewünscht. Colley ist ein Musterbeispiel für geringe Selbstachtung, wenig Selbstvertrauen und unterentwickelte soziale Fertigkeiten. Ein chronischer Duckmäuser. Eine
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