Kalter Schlaf - Roman
Küche.
Während Mugger geräuschvoll sein Trockenfutter fraß, starrte Kate ihre Notizen an. Sie blätterte bis zu den Notizen zurück, die sie sich gemacht hatte, als Connie ihnen erzählt hatte, Janines Haar sei abgeschnitten worden. Diese Mühe hatte der Täter sich eigens gemacht. Sie runzelte die Stirn. Mollys Haar war nicht abgeschnitten worden. Hatten Haare eine besondere Bedeutung für den Mörder? Langes blondes Haar gehörte zu den persönlichen Merkmalen, die Molly und Janine mit den anderen jungen Frauen aus der polizeilichen Vermisstendatei gemeinsam hatten.
Wozu Janine das Haar abschneiden?
Um sie zu entweiblichen?
Oder nur, weil er’s konnte?
Wieso hatte er bei Molly darauf verzichtet?
Weil er sich zwischen 1998 und 2002 verändert hatte?
Er hatte nicht mehr das Bedürfnis danach.
Also hatte er sein Verhalten geändert.
Veränderung.
Graduierung.
23
Joe kam am frühen Montagmorgen vorbei, um Kate zur Arbeit mitzunehmen. Unterwegs starrte sie geistesabwesend aus dem Fenster und dachte über das beunruhigende Thema nach, das ihr seit ihrem Besuch bei den Walkers nicht mehr aus dem Kopf ging. Und sie dachte über ihren eigenen Status in der Rose Road nach. Sie atmete tief durch. Auch wenn sie keine Polizistin war, musste sie dieses Thema anschneiden.
»Wir müssen Janines Tagebuch finden, Joe. Und wenn’s nur deshalb wäre, damit wir es den Walkers zurückgeben können. Sie haben es der Polizei anvertraut, und ich befürchte, Furman könnte es verschlampt haben.« Sie schob ihre Sonnenbrille in ihr Haar hoch und wandte sich ihm zu, während sie an die Eltern der bisher von der KUF identifizierten Mordopfer dachte. »Ich frage mich auch, wie es sein kann, dass verschiedene Leute das gleiche Erlebnis haben, aber so unterschiedlich reagieren. Wenn du weißt, was ich meine …«
»Klar doch«, sagte Joe gelassen. »Aber vielleicht ist’s nicht das gleiche Erlebnis. Weil die Menschen nicht gleich sind.«
Wenige Minuten später betraten sie das Büro der KUF . Kate marschierte sofort zu der Glastafel, schnappte sich einen Markerstift und schrieb in Großbuchstaben das Wort TAGEBUCH aufs Glas. Als Bernie und Julian hereinkamen, setzte sie gerade ein großes Ausrufezeichen dahinter. Vorläufig zufrieden, zog sie ihr Notizbuch heraus und überflog, was sie am Abend zuvor niedergeschrieben hatte.
Zehn Minuten später saß Kate im Büro auf der Tischkante, nachdem sie ihren Kollegen ihre Theorie vorgetragen hatte. Sie sah zu Joe hinüber, der entspannt wirkte. Julian hatte sich bei ihrem Vortrag wie gewöhnlich Notizen gemacht. Ein Blick zu Bernie hinüber bestätigte, was sie aus dieser Richtung erwartet hatte. Er war sichtlich irritiert, seine Miene störrisch und finster, sein Bulldoggen-Ausdruck noch ausgeprägter als sonst. Sie seufzte und zeigte auf die Wörter, die sie an die Glastafel geschrieben hatte.
»Damit will ich sagen, dass wir uns überlegen müssen, womit unser Serientäter begonnen hat, wenn wir von der Annahme ausgehen, dass er nicht mit Mord angefangen hat.« Sie zuckte leicht mit den Schultern. »Beispiel: Er könnte mit kleinen sexuellen Übergriffen begonnen haben. Oder mit Vergewaltigungen.«
Bernie legte seine massiven Unterarme auf die Tischplatte und tippte mit einem Zeigefinger aufs Holz. »Wir haben es schon mit zwei, nein, mit drei zusammenhängenden Fällen zu tun, die wir kaum bewältigen können, und haben drei weitere Namen auf unserer Liste. Wozu sollen wir unsere Ermittlungen dann noch ausweiten? Um noch mehr Arbeit zu haben?«
Joe antwortete gelassen: »Weil es bei sexuellen Übergriffen und Vergewaltigung möglicherweise Zeugen gibt, Ber- nard . Bei Morden ist das seltener der Fall.«
Kate nickte. »Untersuchen wir beispielsweise auch ungelöste Fälle von Vergewaltigung vor 1998, kommen wir unserem Täter vielleicht auf die Spur. Finden wir dagegen keinen einschlägigen Fall, sind wir auch nicht schlechter dran, stimmt’s?«
Bernie wirkte noch ärgerlicher. »Doch, das sind wir! Weil wir Zeit dafür aufwenden müssten, solche Informationen einzuholen und zu überprüfen.«
Julian sah von seinen Notizen auf. »In welcher Beziehung passend?«
Kate glitt von der Tischkante und deutete auf einen anderen Bereich der Glastafel.
»Das betrifft Sie, Julian. Wir suchen ungelöste Fälle von sexueller Belästigung oder Vergewaltigung aus den Jahren …« Sie zögerte kurz. »Ich schlage vor, dass wir fünf Jahre vor dem ersten Mord beginnen – also mit dem
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