Kalter Schlaf - Roman
Zeitraum von 1993 bis 1998.«
Bernie atmete geräuschvoll aus. »Das sind bestimmt Unmengen, und wir …«
Kate schüttelte den Kopf, tippte ans Glas. «Nein, nein, Bernie. Denk doch mal nach. Wir können die Arbeit eingrenzen, wenn Julian nur nach ungeklärten Fällen von Vergewaltigung in Greater Birmingham sucht, bei denen die Opfer siebzehn bis einundzwanzig Jahre alt, blond, schlank, ungefähr einen Meter siebzig groß und gebildet waren.« Sie zuckte mit den Schultern. »Wir müssen die Zielpersonen exakt definieren.«
»Aber widerspricht das nicht dem, was Sie in Ihrer Einführungsvorlesung gesagt haben, Kate? Dass die Täter sich nicht an eine Routine halten.«
Sie nickte Julian zu und freute sich über seine Fähigkeit, Querverbindungen herzustellen.
»Das ist der einzige Punkt, an dem wir ansetzen können. Wir wissen, was er in späteren Jahren getan hat, und müssen feststellen, wie er sich dorthin entwickelte. Sie haben recht, Julian, aber in meiner Vorlesung habe ich gesagt, dass wir uns vor Mythen in Acht nehmen müssen. Der Mörder von Janine, Molly und der noch unbekannten Dritten geht individuell und flexibel vor. Deshalb müssen auch wir bei unseren Ermittlungen flexibel sein.« Kate sah kurz zu Bernie hinüber. »Zu dieser Flexibilität gehören die Richtungen, in die wir ermitteln.«
Julian nickte und drehte sich zu dem Computer um, aber nach kaum einer halben Minute wandte er sich erneut an Kate. »In einer halben Stunde habe ich eine Vorlesung. Was halten Sie davon, wenn ich mit der Suche beginne, sobald ich wieder da bin?«
Bernie war noch immer gereizt. »Falls irgendwer sich dafür interessiert, was ich zu sagen habe, möchte ich wissen, woher wir die Zeit für all diese neuen Ermittlungen nehmen sollen.« Er hatte die Arme verschränkt und seufzte schwer, während er zusah, wie Julian Lehrbücher in seinem Rucksack verstaute. »Gibt’s noch ’ne Schokolinse, Jules?«
Kate lächelte, als Joe sie mit hochgezogenen Augenbrauen ansah.
»Ich dachte, Sie wären auf Diät?«, fragte Julian. Er schob Bernie die Packung M&M über den Tisch zu, bevor er weiter seinen Rucksack packte.
Kate sah zu Joe hinüber und fragte: »Tagebuch?« Er antwortete: »Archiv« und deutete dabei auf den Fußboden.
Als sie sich an Bernie wandte, beschäftigte die Vorgeschichte des Täters sie noch immer. »Du wirst sehen, es gibt frühere Fälle, Bernie …«
»Sagst du .«
Die Tür ging auf und ließ ein müdes Gesicht sehen, das Harry gehörte.
»Connie lässt euch ausrichten, dass wir den Fundort an der Umgehungsstraße weiter nach einem dritten Skelett absuchen.« Dann war er wieder fort.
»Im Augenblick muss er sich sein Geld echt verdienen«, sagte Bernie. »Ist ständig bei den Ausgrabungen dabei. Neulich war ich bei ihnen im Büro. Sie hatten eine Besprechung, bei der er eifrig …«
»Was sagen Sie da? Harry arbeitet immer fleißig«, sagte Julian erregt und sichtlich verärgert.
Bernie zog die Augenbrauen hoch. »Okay, okay, Devenish. Nur nicht aufregen. Ich will Ihren Spielgefährten keineswegs kritisieren. Wieso glauben die Leute immer, dass ich gegen jemanden argumentieren will?«
»Mir ein völliges Rätsel«, murmelte Kate.
Das Telefon klingelte. Bernie nahm den Hörer ab und meldete sich. »Hallo, Schätzchen! Ja, sie ist da. Augenblick.« Er hielt Kate den Hörer hin. »Maisie.«
Kate nahm den Hörer entgegen. Maisie erzählte wie schon am Wochenende begeistert von ihrem Orientierungsmarsch und den gesammelten Sponsorengeldern und schloss damit, sie sei bei Chelsey zum Abendessen eingeladen.
Als Kate den Hörer auflegte, belastete ihr schlechtes Gewissen sie noch mehr. Wie oft hatte Maisie in den letzten drei, vier Wochen bei Chelsey gegessen? Sie versuchte, sich zu erinnern, wann Chelsey zuletzt mit Maisie und ihr gegessen hatte, und seufzte schwer. Auch was das Essen betraf, würde sie sich mit Candice auf regelmäßige Wechsel einigen müssen.
Während Kate sich darauf vorbereitete, zur Universität zu fahren, war sie in Gedanken wieder bei dem Abend, an dem Maisie und sie kleine Kuchen gebacken hatten, und bei Maisies Frage nach Mugger und ihrer eigenen Antwort. Natur gegen Erziehung. Die Person, gegen die der Hass ihres Täters sich richtete, war offenbar weiblich. Eine mächtige Frau? Oder eine als mächtig empfundene? Eine, die er beherrschen musste ?
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Am Spätnachmittag war Kate aus der Universität zur KUF zurückgekehrt und in den weitläufigen Archivkeller in der
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