Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kalter Schlaf - Roman

Kalter Schlaf - Roman

Titel: Kalter Schlaf - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A J Cross
Vom Netzwerk:
war nur ziemlich kalt. Wieder stand sie vor Regalen mit Kartons, die aber nicht erkennbar geordnet waren. Sie ging langsam ein Regal entlang, das Kartons und mit Schnüren gebündelte Umschläge enthielt. Aha, chronologisch geordnet!
    Kate las die hervorgehobenen Jahreszahlen und geriet dabei immer tiefer in den Raum hinein. Fast an der Rückwand entdeckte sie etwas, das ein Glückstreffer zu sein schien: zwei Kartons, die nicht nur die richtigen Daten, sondern auch den Buchstaben W trugen. Fünf Minuten später wusste sie, dass diese Hoffnung trügerisch gewesen war. Nichts unter dem Namen Walker. Kate ging niedergeschlagen die Regalreihen entlang und ließ eine Hand über die Kartons und Umschlagbündel gleiten.
    Dann blieb sie plötzlich stehen. Sie hatte die Reihen der Jahre 1996 bis 2000 erreicht. Dort hatte sie graue Kartons und große braune Umschläge in Augenhöhe. Sie runzelte die Stirn wegen einiger Lücken, aber dann fiel ihr ein, was Bernie ihr erzählt hatte und was sie aus eigener Erfahrung mit dem englischen Justizsystem wusste: Polizeiliche Ermittlungsakten wurden in verschiedenen Bearbeitungsstadien automatisch an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet.
    Kate zog erst einen Umschlag, dann noch einen heraus und sah hinein. Nichts, was mit Janine Walker zusammenhing. Sie schob sie zurück, nahm einen Karton aus dem Regal und stellte ihn auf den Fußboden. Sie hob den Deckel ab und sichtete oberflächlich den Inhalt. Wieder nichts.
    Erst jetzt las sie den außen angeschriebenen Namen. Jarrett. Keinerlei Zusammenhang. Sie stellte den Karton zurück, hob den mit »Dijon« beschrifteten herab und kniete daneben nieder. Nachdem sie den Deckel abgenommen hatte, las sie das obenauf liegende Inhaltsverzeichnis, auf dem nicht Dijon, sondern Kenton-Smith stand. Von dieser Unordnung in den Ermittlungsakten überrascht, grub sie tiefer, nahm zusammengeheftete Din-A4-Blätter und Umschläge heraus und … dann erstarrte sie und hielt den Atem an.
    Es lag hier. Ganz unten in dem Karton. Kleiner, als sie erwartet hatte. Zehn mal fünfzehn Zentimeter, knapp Taschenbuchformat. Dick. Rotes Saffianleder. Mit der Namensplakette der Eigentümerin auf dem Deckel: Janine Mary Walker . Kate nahm das Tagebuch langsam heraus und schlug es auf. Sie blätterte die dünnen Seiten um, las einige der in flüssiger, gut lesbarer Handschrift geschriebenen Wörter und fuhr sie mit dem Zeigefinger nach, als in dem Kühlraum plötzlich das Licht ausging.
    Kate war vor Verblüffung sekundenlang wie erstarrt, konnte keinen klaren Gedanken fassen. Sie ließ das Tagebuch sinken, rappelte sich auf und tastete sich in der pechschwarzen Finsternis weiter. Ihr fiel erstmals auf, wie kalt die Luft hier unten war. Und wie absolut die Stille. Sie suchte ihre Taschen ab, obwohl sie wusste, dass sie ihr Handy nicht eingesteckt hatte. Verdammt!
    Als sie sich mit ausgestreckten Armen weitertastete, berührten ihre Hände kalten Stahl. Damit hatte ihr Nachmittag sich plötzlich erheblich verschlechtert. Die Tür des Kühlraums war ins Schloss gefallen. Kate stand einige Sekunden lang da, ohne zu irgendeinem Gedanken imstande zu sein, der über die Verarbeitung einfacher Sinneseindrücke hinausging. Die Stille war ohrenbetäubend. Als stecke man in einem schwarzen Samtbeutel.
    Sie streckte die Arme aus. Wieder berührten ihre Hände kalten Stahl. Sie drückte dagegen, tastete die Metallfläche mit zitternden Fingern ab, zwang ihren Verstand dazu, sich die Tür vorzustellen, und versuchte, sich zu erinnern, ob es auch innen ein Schlüsselloch gab. Sie schüttelte den Kopf. Darauf hatte sie nicht geachtet.
    Als ihre Arme herabsanken, schien die pechschwarze Dunkelheit sie noch enger zu umschließen. Sie spürte einen ersten Anflug von Panik, auf den ein eigentümlich körperloses Gefühl des Schwebens folgte. Kate wusste, weshalb. Außer dem Boden unter ihren Füßen wies nichts auf ihre Lage im Raum hin. Sie streckte rasch die Hand aus und berührte wieder die Tür, um einen Hinweis auf ihre räumliche Position in dem kalten Dunkel zu haben. Sonst war sie verloren. Panik wollte wieder an die Oberfläche steigen, aber sie zwang sich dazu, gleichmäßig zu atmen.
    Einige tiefe Atemzüge später war Kates Fähigkeit, im Dunkel logisch zu denken, wiederhergestellt. Sie sah auf das Leuchtzifferblatt ihrer Armbanduhr – 17:03 Uhr. Wer wusste, dass sie hier unten war? Sie überlegte, was sie zuvor getan hatte. Sie hatte Bernie nach dem Asservatenkeller gefragt.

Weitere Kostenlose Bücher