Kalter Schmerz
Hand umklammerte ich den Infusionsschlauch fester, ignorierte das Blut, bereit, ihn herauszureißen.
»Ist Brinks tot?«, fragte ich.
Die Stimme, die antwortete, kam von hinten.
»Ich nehme an, ein gebrochener Arm und eine Schlüsselbeinfraktur.«
Instinktiv schlug ich nach rechts aus.
Tristan packte mein Handgelenk und schwenkte vorsichtig eine durchsichtige Flasche vor meinen Augen. »Achtung, das ist unglaublich ätzend. Besser nicht verschütten.«
Mackies leere Augen …
Ich vermochte nicht den Blick von der Flasche abzuwenden, so nah vor meinem Gesicht. Zum ersten Mal konnte ich Tristan gründlich betrachten, und ich war überrascht. Er sah tatsächlich aus wie ein Medizinstudent: drahtig, jung, Brillenträger mit Babyface, aber intellektuellem Stirnrunzeln.
Er ließ meinen Arm los und musterte meine Stirn. »Überprüfe nur die Nähte … Ach, und das gibt eine Narbe, wenn du es so rausreißt.«
Ich wischte das Blut weg, und als ich meine Stirn betastete, konnte ich die schwachen Wülste an der Stelle fühlen, wo ich gegen Brinks’ Haustür geprallt war. Ich wurde kurzatmig, als hätte ich eine Panikattacke.
»Wenn du mich umbringen willst«, sagte ich und drückte auf meine Armbeuge, »kannst du es dann bitte einfach erledigen?«
»Meinst du, ich verschwende meinen Sachverstand auf einen Toten?« Voller Verachtung sah er mich an und rollte den Infusionsständer beiseite, damit er die genähte Wunde genauer beäugen konnte. »Könntest du mal stillhalten?«
Ich zog meinen Kopf weg. »Könntest du ordentlich mit einem Kranken umgehen?«
Ich hörte Hudson lachen. »Es wäre aufwendiger, dich umzubringen.«
»Sie haben Mackie getötet.«
»Ich habe keine Zeit für Verräter, außerdem bist du mir nützlicher … Ich traue dir zu, dass du Matt zuerst findest. Ich habe gehört, du hast so deine Methoden.«
Ich warf Tristan einen flüchtigen Blick zu.
Hudson beugte sich vor. »Ich will dich nicht zum Feind haben, Nic. Ich mache mir nicht gerne Feinde.«
Die Naht brannte, wann immer ich die Stirn runzeln wollte. Wenn ich auf sein Angebot einging, würde er mich vielleicht zumindest fürs Erste gehen lassen. Ich dachte an meine Tasche in Brinks’ Haus und setzte mich auf.
»Ich brauche meine Tasche«, sagte ich. »Und mein Auto.«
»Wir haben deine Tasche. Tris wird dich zurückbringen.«
Ich wagte, Erleichterung zu empfinden, es schien ein Morgen zu geben, eine nächste Woche. »Also, dann würde ich jetzt gerne gehen.«
»Glaubst du, dass ich die Wahrheit gesagt habe?«
»Was Sie gesagt haben, klingt einleuchtend.« Ich konnte mich nicht überwinden, vorbehaltlos zuzustimmen. »Solange ich wieder zu Hause einziehen kann, ohne weitere Briefchen vorzufinden.«
Tristan machte mir Zeichen, dass er den Infusionsschlauch prüfen wollte, ich hielt ihm den Arm hin.
»Du brauchst Ruhe und eine Kühlpackung«, bemerkte er.
»Was du nicht sagst!«, erwiderte ich.
Hudson grinste. »Ich bin froh, dass wir auf einer Wellenlänge sind.«
Es dauerte fast eine Dreiviertelstunde zurück zu Brinks, und die meiste Zeit hatte ich die Augen verbunden. Keiner sagte etwas, bis ich wieder sehen konnte, und als ich mich im Rückspiegel entdeckte, glühte ich fast.
»Warum hast du das Medizinstudium abgebrochen?«, fragte ich.
Schweigen.
»Bist du wegen irgendwas vorbestraft?«
Er reckte den Hals, um ein Straßenschild zu lesen, und antwortete nicht.
»Hab mich nur gefragt …«
Es verblüffte mich, dass jemand, der die Möglichkeit gehabt hatte, einen richtigen Beruf zu ergreifen, hier gelandet war, bei mir. Ich fragte mich, wie er das alles verbockt hatte.
»Wie kommst du darauf, dass ich abgebrochen habe?«, gab er zurück.
Ich sah ihn an, und er grinste vor sich hin, sah durch die Windschutzscheibe. Er hatte eine seltsame Art zu sprechen, leicht autistisch.
»Wie hast du Felix kennengelernt?«, fragte ich.
Brinks’ Haus kam in Sicht.
»Ich lasse dich da raus«, sagte er. »Eigentlich bist du noch nicht fahrtüchtig.«
»Doch, danke, das geht schon.« Ich öffnete die Tür, noch bevor der Wagen angehalten hatte.
»Moment.«
Ich drehte mich um, er hielt mir einen A4-Umschlag hin.
»Was ist das?«
»Deine Beweise. Hab ich für den Fall der Fälle mitgenommen.«
Ich griff nach dem Umschlag, und er reckte sich über den Sitz und schlug die Beifahrertür ohne ein weiteres Wort zu. Ich wollte noch etwas sagen, doch Tristan ließ den Motor wieder an und fuhr weiter. Er hatte sich nicht einmal die
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