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Kalter Schmerz

Kalter Schmerz

Titel: Kalter Schmerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Jameson
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Fünfer.
    Sie musterte mich von oben bis unten und entfernte sich.
    »Nic«, sagte Pat, zog seine Anzugjacke aus und legte sie über die Theke. »Manchmal rufe ich sie sieben oder acht Mal pro Stunde auf dem Handy an, nur um ihre Stimme zu hören, wissen Sie, wo sie sagt, dass ich eine Nachricht hinterlassen soll.«
    In diesem Moment war es schwer, ihn zu hassen, trotz seiner krankhaften Überheblichkeit und der leeren Verzweiflung in den Augen seiner Frau.
    »Ich denke, das ist normal.«
    »Haben Sie schon mal jemanden verloren? Ich meine, haben Sie Kinder?«
    Die Antwort auf beides lautete Nein, aber ich vermutete, dass es nicht das war, was er hören wollte, deshalb log ich der Konvention zuliebe. »Verloren schon. Kinder auf gar keinen Fall.«
    »Glaub ich gerne. Aber so ist das, man macht diese ganzen Sachen mit, verliebt sich, heiratet und so weiter …« Er fuchtelte mit seinem Glas in der Luft herum. »Aber solange man keine Kinder hat … Wenn man Kinder hat, wenn man das durchzieht … man ist echt fertig, wenn man merkt, wie sehr man jemanden lieben kann.«
    Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar.
    Ich nickte, als würde ich verstehen, tat es aber natürlich nicht. Ich verstand Schmerz, darin konnte ich eine Abschlussklasse unterrichten, aber dies ging darüber hinaus. Es war wieein Virus in der Seele, eine Krankheit, die einen langsam von innen zerfraß.
    »Was halten Sie von Koks?« Zum ersten Mal, seit ich reingekommen war, sah er mir in die Augen, und seine Pupillen waren stark erweitert.
    »Nicht bei der Arbeit.«
    »Dann rauchen Sie aber«, sagte er und wies mit dem Kinn nach draußen.
    Ich nickte und folgte ihm vor die Tür des Pubs, wo sich jeder eine Zigarette anzündete. Es nieselte. Auf der anderen Straßenseite hing blaue und rote Weihnachtsbeleuchtung. Gekokst hatte ich bisher nur zusammen mit Mark in unserer Wohnung, wenn wir ausgehen wollten, oder eingeklemmt in die Toilettenkabine eines Nachtclubs, aber es gab Angewohnheiten, die leichter aufrechtzuerhalten waren. Diese Form der Freizeitgestaltung beherrschte meine Schwester besser, es kam mir armselig vor, es alleine zu tun.
    »Alles klar, Pat?«
    Ein junger Mann trat auf uns zu.
    Ohne ein Anzeichen des Erkennens sah Pat ihn an.
    »Alles klar … ähm, Kumpel. Wie geht’s?«, fragte er mit der Gunst eines in die Jahre gekommenen Prominenten.
    »Ach, geht nicht um mich, wie geht’s dir denn? Ich hab das von deiner Tochter gehört, Mann, das tut mir so leid. Ist schrecklich, einfach schrecklich.« Der Typ nickte mir zu und zog sich seine Wollmütze über die Ohren.
    »Ah.« Pat verzog die Lippen zu einem künstlichen Lächeln. »Danke.«
    »Weiß man schon irgendwas darüber, wer es war? Hat die Bullerei was gefunden?«
    »Nein.«
    Schweigen.
    »Okay, ähm, gut, ich hoffe, du kommst klar und so. Ich hoffe, deine bessere Hälfte kommt auch klar.«
    Pat nickte.
    »Also dann … wir sehen uns.«
    Wir schauten ihm nach. Mir kam der Gedanke, dass Pat für jeden Kunden und Lakaien ein Dutzend Feinde haben musste.
    »Wüssten Sie jemanden, der aus irgendeinem Grund sauer auf Sie sein könnte?«, fragte ich. Ich nahm lange Züge von dem Rauch, gegen die Kälte. »Jemand, mit dem Sie sich gestritten haben? Jemand, der sich an Ihnen rächen will?«
    »Hab ich auch schon überlegt.« Er atmete tief aus. »Dachte, es ist nur eine Frage der Zeit, bis Sie mit der Frage kommen, ist trotzdem einfacher, nicht drüber nachzudenken, auch wenn es hilfreich sein könnte … Es wäre nicht einfacher, wenn es reiner Zufall wäre, obwohl ›einfacher‹ nicht das richtige Wort ist, aber die Vorstellung, dass das jemand meinetwegen gemacht haben könnte …«
    Er schüttelte den Kopf und ließ die Zigarette zu Boden fallen.
    »Ich habe noch andere Anhaltspunkte«, sagte ich. »Falls Sie noch nachdenken wollen.«
    »Nachdenken, pah …« Er schnaubte verächtlich und ging zurück in den Pub.
    Ich blieb stehen, sah zu, wie der Nieselregen in dichten Nebel überging. In einem Wetherspoon’s-Pub in der Nähe lief Paul McCartney, das konnte ich mir nicht lange geben. Es war noch zu früh; künstlich auferlegte Feiertagsstimmung, um die Hoffnungslosigkeit zu überspielen.
    Ich drückte den Zigarettenstummel aus und ging wieder rein. Drinnen bekam ich nur schlecht Luft.
    Pat stand dicht vor einem Collegestudenten, der einen abgrundtief hässlichen Haarschnitt und eine Stupsnase hatte. Ich bekam nur noch die letzten Worte ihrer Auseinandersetzung mit.
    »Das ist mein

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