Kalter Schmerz
Glas, das du da in der Hand hältst«, sagte Pat, nahm seine Anzugjacke von der Theke und zog sie über.
Der junge Kerl sah ihn mit gerunzelter Stirn an und antwortete mit einem quälend arroganten Akzent: »Nein, ich denke, Sie werden feststellen, dass es meins ist.«
»Nein.« Pats Stimme war ein Knurren voll Nikotin und Koks. Er knöpfte sein Jackett zu und krempelte die Ärmel hoch. »Ich denke, du stellst gleich fest, dass es meins ist. Du Popperschwuchtel«, fügte er hinzu.
»Das sehe ich anders.« Der Junge warf seinen Freunden einen Blick zu und wagte es tatsächlich zu grinsen. Wieder musterte er Pat von oben bis unten. Es war wirklich nicht seine Schuld. Er hatte keine Ahnung, in welcher Gefahr er sich befand.
»Stell es zurück.«
Ich blickte nach unten und sah, wie Pats Fäuste zitterten. Ich wollte ihn zurückhalten, war aber inmitten der Leute zu befangen.
»Stell es zurück!«, wiederholte Pat.
»Sehen Sie mal …«
Pat packte ihn am Kragen, riss ihn von der Theke weg und schleifte ihn raus, ignorierte die fassungslosen Gesichter, die ihm nachschauten. Das Glas fiel direkt vor mir zu Boden, Wodka und Orangensaft ergossen sich über meine Schuhe.
Ich schob mich durch die Menschenmenge.
»Pat!«, rief ich und kämpfte mich durch die Eingangstür. »Pat, lassen Sie ihn! Lassen Sie ihn!«
Pat schleuderte den Studenten auf den Bürgersteig und trat ihm auf den Arm, bis ich ihn brechen hörte.
Der Junge schrie so laut, dass er den Verkehr übertönte. In den Fenstern und in der Tür hinter mir hielten alle die Luft an. Ich erstarrte, wollte auf keinen Fall etwas damit zu tun haben.
Pat trat den Jungen, zerrte ihn am Hemd hoch und schlug ihn, immer und immer wieder, bis er so stark blutete, dass ich nicht mehr hinsehen konnte.
»Pat!«
Ich griff nach seinem Arm und wurde vom Schwung seines nächsten Hiebs nach vorne gerissen. Kurz verlor ich den Boden unter den Füßen, wurde herumgewirbelt. Ich ging in Deckung, stolperte rückwärts und stürzte über den Jungen. Ich landete auf dem Rücken, und ein Auto fuhr so nah an meinem Kopf vorbei, dass alles vor Adrenalin verschwamm.
Als ich mich wieder aufgerappelt hatte, stieß Pat mich von sich, so dass ich fast erneut auf die Straße gefallen wäre. Seine Augen waren schwarz. »Verpiss dich!«
Ich schlug ihm ins Gesicht in der Hoffnung, der Schock wäre so groß, dass er aufhörte.
Kurz hielt er sich den Kiefer, ohne den Blick von mir abzuwenden, doch als er sich streckte, merkte ich, dass es vorbei war.
Langsam wich ich zurück und bückte mich, um dem Studenten auf die Füße zu helfen. Alles war voller Blut, seine Gesichtszüge waren verzerrt, er hielt sich den Arm in einem eigenartigen Winkel vor der Brust.
»Komm, komm, hoch mit dir.«
Er schrie nicht mehr, keuchte nur noch. Als ich seinen anderen Arm um meine Schultern legte, spürte ich, wie er zitterte.
Niemand war mit uns nach draußen gekommen. Es hatte sich niemand getraut.
Ich brachte den Studenten zurück in den Pub und bestellte ihm einen irischen Whiskey bei der rothaarigen Bedienung, die mich mit großen Augen ansah. Ich konnte mir das Lächeln nicht verkneifen, als ich das Glas entgegennahm.
»Trink das!«, befahl ich und besorgte ihm einen Platz hinten im Pub.
Er nahm einen Schluck und musste husten. »Scheiße … Scheiße, der Wichser hat mir den Arm gebrochen!«
»Beruhige dich und ruf den Krankenwagen. Du hast noch Glück gehabt.« Ich beugte mich über den Tisch, damit mich niemand sonst hören konnte. »Wenn du Anzeige erstattest und ihn vor Gericht lang machen willst, bezweifele ich, dass du noch mal so viel Glück haben wirst.«
Ich tätschelte ihm die Wange, zupfte meine Jacke zurecht und ging erhobenen Kopfes. Hier kannte mich schließlich keiner.
Es dauerte nicht lange, bis ich den silbernen Mercedes fand; nach hundert Metern überquerte ich die Straße. Erst da beruhigte sich mein Atem wieder, und meine Muskeln zuckten von der plötzlichen Anstrengung.
Ich wischte Asche und Regen von der Rückseite meiner Jeans.
Pat hielt mit beiden Händen das Lenkrad umklammert, saß reglos da, ich gesellte mich zu ihm auf die Beifahrerseite.
Schweigen.
»Und, zu dir oder zu mir?«, fragte er.
»Sie können so nicht fahren.«
»Ich kann machen, was ich will.«
»Sie bringen noch jemanden um.«
»Stört dich das? Witzig.« Er sah mich von der Seite an und grinste. »Kaum zu fassen, dass ich mir von einem Typen mit Vokuhila eine reinhauen lasse.«
»Das ist keine
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