Kalter Schmerz
nicht gefällt.«
»Nein.«
Ich sah auf. Sie beobachtete mich immer noch.
»Werden Sie ihn finden?«, sagte sie. Es war eher eine Feststellung als eine Frage.
»Dafür werde ich bezahlt.«
»Und dann?«
Es fiel mir schwer, sie anzusehen, und ich wusste nicht, weshalb. Irgendetwas an ihr bereitete mir überwältigendes Unbehagen. Und löste Schuldgefühle aus, was ich nicht gewohnt war.
»Ich weiß, was Sie machen«, sagte sie.
»Das ist keine Freizeitbeschäftigung. Ich tue einfach das, was ich gut kann, genau wie Pat.« Ich sah ihr in die Augen; sie waren ausdruckslos. Es war eine billige Bemerkung. Ich wusste nicht, ob ich aus Scham errötete. »Ich tue einfach, um was ich gebeten werde.«
»Wofür Sie bezahlt werden.«
»Genau.«
Es klang abwehrender, als mir lieb war.
Schweigen.
»Hatte Emma keinen Freund?«, fragte ich zum gefühlt tausendsten Mal.
»Sie hatte sich von Danny getrennt. Sonst war von niemandem die Rede.«
»Von keinem?«
»Glaub nicht.«
»Darf ich das noch mal durchgehen? Sie haben beide versucht, Emma zu erreichen, aber ihr Telefon war abgestellt?«
»Also, es klingelte, aber sie ging nicht dran.«
»Gut.« Ich überlegte. »Wenn das für Sie in Ordnung ist, würde ich sehr gerne Jenny Hillier ein paar Fragen stellen.«
Als Clare mich wieder ansah, war ihr Blick voller Wut.
»Woher kennen Sie ihren Namen?«
»Von Pat.« Ich versuchte ein Lächeln. »Ganz ohne Tricks. Ich würde ihr sagen, dass ich Privatermittler bin und für Pat arbeite, und würde ihr ein paar Fragen stellen, zum Beispiel wann sie Emma treffen wollte oder ob sie etwas Verdächtiges gesehen oder gehört hat. Das ist alles, versprochen.«
Ich bezweifelte, dass mein Wort bei ihr viel galt.
Sie musterte die Tischfläche, knibbelte am selben Splitter wie ihr Mann. »Tja, Sie holen sich die Nummer ja eh von Pat.«
»Das ist nicht der Grund, warum ich gefragt habe. Wenn Sie nicht wollen, dass ich mit ihr rede, dann lasse ich es.«
»Wofür Sie bezahlt werden, ja?« In ihrer Stimme lag eine Spur von Sarkasmus.
»Im angemessenen Rahmen.«
»Daran ist gar nichts angemessen .«
Der blaue Fleck an ihrem Handgelenk war blasser geworden. Mein Blick wanderte von ihren Händen zu ihrem Hals. Alles an ihr wirkte so zerbrechlich. Ihre Tochter war genauso gewesen.
Ich fing ihren Blick auf und schaute weg, schmeckte Kupfer auf der Zunge.
Sie nahm die Hände vom Tisch.
»Vielleicht kommen Sie später noch mal wieder«, sagte sie.
»Ja, vielleicht.« Ich griff nach meiner Tasche und fühlte mich schmutzig, weil ich sie nochmals ansah. »Dann frage ich also Pat nach Jennys Nummer?«
»Ja, machen Sie das.«
Ich wusste nicht genau, wie ich gehen sollte, stand dort in der Tür eines anderen Mannes und dachte mit Blutgeschmack im Mund an die Frau eines anderen Mannes.
»Sie sollten was essen«, sagte ich.
»Er bezahlt Sie nicht fürs Kümmern.«
Ich hasste die Verachtung in ihrer Stimme und wie sehr sie mich schmerzte. Gesenkten Kopfes ging ich durch den Regen zum Auto und begriff einfach nicht, warum ich mich vor ihr so schämte.
Während der Fahrt bekam ich eine SMS von Pat, der fragte, ob ich ihn in einer Bar in der Nähe der Victoria Station treffen könne, wo er sich wahrscheinlich schon den halben Tag aufhielt. Beim Lesen der Nachricht fuhr ich beinahe auf den Bürgersteig, eine Frau schrie mich an.
Ich wollte nicht hin, aber ich hatte keine Wahl. Er bezahlte mich ja, also mühte ich mich ab, einen Parkplatz zu finden.
Pat war gerade mit seinem iPhone beschäftigt, er blickte kaum auf, als ich mich zu ihm gesellte. Der Laden war voll, Massen von Studenten, überall hing silbernes Lametta herum, aber zu uns hielt man respektvoll Abstand. So reagierten die Menschen auf Pat.
»Warum hat sie nicht versucht, mich anzurufen, wenn sie Probleme hatte?«, fragte er.
»Manche Leute kriegen Panik. Sie verhalten sich nicht rational.«
»Ich wäre der Erste, dem sie Bescheid gesagt hätte, wenn ihr jemand Ärger gemacht hätte, das weiß ich genau.« Er sah wieder seine Anruferliste durch und ballte die Faust ums Telefon. »Ich bin ihr Vater, verdammte Scheiße!«
»Möchten Sie noch irgendwas?« Eine Kellnerin mit kupferrotem Haar beugte sich über die Theke.
»Ja, noch einen Wodka-O.« Ohne aufzusehen schob Pat sein leeres Glas vor und scrollte durch die Liste, bis er einsah, dass das, was er suchte, nicht existierte.
»Mineralwasser mit Limettensirup bitte«, sagte ich und reichte der Bedienung lächelnd einen
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