Kalter Schmerz
klopfe einem von euch auf die Schulter, wenn ihr euch wieder umdrehen dürft. Verstanden?«
Sie taten, wie ihnen geheißen, ohne eine Frage zu stellen. Als ich sicher war, dass sie nicht viel hören würden, packte ich Mark am Hemdkragen und schleppte ihn hinter den einzigen Baum, damit wir von den Wohnungen aus nicht zu sehen waren.
»Was hast du vor?«, rief er mit demonstrativem Mut. Ich stieß ihn zu Boden. »Ich werde dir gar nichts sagen …«
Seine Worte wurden von einem Schrei erstickt, als ich ihm den Arm auf den Rücken drehte und auf den Knochen trat. Ohne Widerstand zerbrach er unter meinem Turnschuh.
»O Gott! Scheiße, verdammt!«
»Du wirst mir einen Namen nennen, und zwar jetzt.«
»Bitte hör auf, bitte!«
»Einen Namen, Matt!« Ich hockte mich neben ihn und drückte mit den Fingern auf die gebrochene Stelle.
»O Gott, ich kann nicht … o mein Gott … o Scheiße!«
Er schrie erneut auf, als ich seinen Arm verdrehte, die gebrochenen Knochen gegeneinander drückte und ihm ins Ohr zischte: »Als Nächstes ist der andere Arm dran. Glaubst du das etwa nicht?«
»Felix! Felix Hudson! Hör auf, bitte!«
Kaum hatte er den Namen genannt, ließ ich ihn los.
Matt fiel nach vorne, rollte sich zu einer Kugel zusammen und drückte seinen gebrochenen Arm an die Brust. Sein Gesicht war grau geworden.
»Felix Hudson?«, wiederholte ich. »Meinst du den Dealer?«
»Ich … und Kyle … wir haben ein bisschen für ihn gedealt …«, stieß er hervor. Tränen liefen ihm über die Wangen. »Kyle hat nie gesagt, warum … aber ich weiß, dass er Emma umgebracht hat … Kyle wusste es. Das ist alles, was ich weiß … ich schwöre, Gott, ich schwöre .«
Ich war mir nicht sicher, ob ich ihm glauben sollte. Seine Schuldzuweisung kam zu schnell und sein Flehen wirkte zu theatralisch, andererseits war er kaum in einem Zustand, in dem er schlüssige Lügen erfinden konnte.
»Wirklich? Felix Hudson?«
»Ich schwöre, echt, ich schwöre …«
»Wenn ich rauskriege, dass du mich angelogen hast, bringe ich dich um, das weißt du.«
Irgendwie gelang es Matt, trotz der Schmerzen zu lachen. Oder zu weinen. »Wenn er rauskriegt, dass ich mit dir gesprochen habe, bin ich eh tot.«
Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte, deshalb beließ ich es dabei.
Auf dem Weg zu meinem Wagen klopfte ich Gary auf die Schulter. Die drei nahmen die Hände von den Ohren und sahen mich argwöhnisch an. Ich winkte ihnen zu.
Gary überlegte, dann lief er mir nach. »Oi!«
Ich blieb stehen.
Lächelnd streckte er mir die Hand entgegen. Einer seiner Vorderzähne war schräg abgebrochen.
»Hab ich für dich gemacht!«, sagte er.
»Ach, wirklich?« Ich kniff die Augen zusammen. »Was willst du jetzt?«
Er machte eine Geste, und ich zog mit einem demonstrativen Seufzen meine Geldbörse hervor.
12
» Gehe ruhig durch Lärm und Hast und vergiss nie, welchen Frieden die Stille bergen kann … Sei du selbst. Vor allem heuchele keine Zuneigung, noch sei zynisch in Bezug auf die Liebe, denn auch angesichts von Dürre und Entzauberung ist sie doch ewig wie das Gras. «
Es war kalt, aber die Sonne kam heraus, um uns zu verhöhnen.
Wir standen so weit hinten wie möglich. Ich hatte die Hände in den Taschen und suchte fast den ganzen Gottesdienst über die Gemeinde ab. Mark an meiner Seite wirkte wie ein Priester, so wie er ehrerbietig die Hände vor der Brust gefaltet hatte.
Ich sah viele der großen Namen: Ronnie O’Connell mit seiner Frau Rachel, Will Mageary und seine Verlobte Melanie, außerdem Noel Braben. Selbst Mickey Everest war mit ein paar Bikern gekommen.
Es hätte eher Pats Beerdigung sein können als die seiner Tochter.
»Ist das der Botschafter von Argentinien?«, flüsterte Mark und wies mit dem Kinn auf einen Mann, der unweit von Pat stand.
Eine ältere Frau weinte. Clares Mutter, nahm ich an. Sie hatte dieselben Wangenknochen.
Clare schien keine Tränen mehr übrig zu haben, als wäre das Weinen eine Formalität, die sie aufgegeben hatte. Das Weinen war das Leichteste; alles andere war schwerer.
Zum zigsten Mal rückte ich mein Jackett zurecht und dachte: Doch wenn ein dringlich Los dich führt zu seinem Schatten …
»Du siehst gut aus.« Mark lächelte hinter seiner Sonnenbrille, immer noch den Blick nach vorn gerichtet, so als lausche er der Lesung.
»Ich hasse Anzüge.«
»Ich finde, du siehst ganz schön umwerfend aus.«
»Und ich finde, du siehst unpassend aus. Hör auf zu grinsen, wir sind auf einer
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