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Kalter Schmerz

Kalter Schmerz

Titel: Kalter Schmerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Jameson
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Beerdigung.«
    Die zwei Frauen vor uns tauschten einen Blick aus, und ich bemühte mich, einen feierlicheren Gesichtsausdruck aufzusetzen. Jenny Hillier sah mir kurz in die Augen und schaute dann schnell beiseite. Danny Maclaine stand zwei Plätze weiter, und ich merkte, dass er zu mir rüberschielte, nach Antworten suchte wie wir alle.
    Ich nahm mir vor, später mit ihm zu sprechen.
    Mein Atem gefror in der Luft. Ich schaute zum Sarg hinüber, versuchte, nicht die Eltern anzusehen, versuchte, nicht das Weinen zu hören, versuchte, nicht an den geschundenen Körper zu denken, der in die Erde gelassen wurde.
    » Darum lebe in Frieden mit Gott, wie auch immer du ihn dir vorstellst … Bewahre den Frieden deiner Seele. Trotz allem Schwindel, aller Schinderei und zerbrochener Träume … «
    »Mann, ist das ein pseudoreligiöser Scheiß.«
    »Dann lieber jeden Tag Rossetti.« Ich beobachtete Pat, groß und stoisch wie ein Denkmal. Ich fragte mich, ob die einzigen Erinnerungen, die er jetzt an seine Tochter hatte, mit Blut und zwei Spermaproben getränkt waren.
    » Wünscht es weit mehr, du lächelst und vergisst, als dass du mein gedenkst und traurig bist. «
    »Du bist ja heute richtig auf Zack.« Ich stieß Mark an der Schulter an und entdeckte ein vage bekanntes Gesicht am Rande des Grabes. »Verdammt, ist das … ist das Felix Hudson?«
    Mark reckte den Hals. »Nein, nein, das ist Grieg Steindler. Banker, Geldwäscher. Aber er hat ein bisschen Ähnlichkeit mit ihm.«
    »Kennst du Hudson?«
    »Nicht persönlich, aber ich sehe ihn manchmal im Underground.« Er wies mit dem Kopf auf Ronnie O’Connell und Noel Braben – Edies Angestellte, denen es während ihrer häufigen Abwesenheit oblag, den Club zu leiten. »Warum?«
    »Erzähle ich dir später.«
    »Könnte er der Grund sein, weshalb wir hier sind?«
    Ich nickte.
    »Hm.« Mark hob die Augenbrauen. »Und ich habe gedacht, sie hätte die meisten dieser Leute nicht gekannt.«
    »Glaub mir, Felix Hudson war der letzte Name, den ich zu hören erwartet hätte.«
    Der Trauerredner war fertig.
    Als die Gäste sich langsam rührten und verstreuten, zündete sich Mark eine Zigarette an. »Bist du zum Leichenschmaus eingeladen?«
    »Ich glaube, es wäre unhöflich, wenn ich nicht hingehen würde.« Ich zündete mir ebenfalls eine an. »Ist in Ordnung, es gibt Whiskey.«
    »Amen.«
    Es war sonderbar, das Haus in Marylebone voller Menschen zu sehen. Die Luft war noch dicker als beim letzten Mal, aber ich schien der Einzige zu sein, der das merkte. Kaum war ich über die Schwelle getreten, ließ ich mir zwei Gläser Whiskey geben und leerte beide.
    Ich hielt mich abseits aus Angst, Smalltalk machen zu müssen, doch die meisten Leute hier waren zu sehr auf der Hut vor Mark und mir, um sich auf eine Unterhaltung mit uns einzulassen. Pat war nicht da, auf dem Rückweg von der Beisetzung hatte sich sein Wagen von den anderen entfernt.
    Allmählich bekam ich Platzangst. »Ich muss mal zur Toilette«, murmelte ich.
    Mark beäugte den Mann, den er für den argentinischen Botschafter gehalten hatte, und schien mich nicht zu hören.
    Das Gäste-WC im Flur war besetzt, ich ging nach oben. Ich schloss ab, spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht und holte vor dem Spiegel tief Luft. Ich blieb dort so lange wie irgend möglich, dann verließ ich das Bad und bummelte auf dem Treppenabsatz herum, lauschte dem Stimmengewirr aus dem Erdgeschoss.
    Ein Bild an der Wand fiel mir ins Auge: Emma, keine zehn Jahre alt, lachend in einem Planschbecken. Es war ungewohnt, sie als einen Menschen zu sehen, der schon vor den Akten und Fotos existiert hatte. Ich trat näher heran, um das Bild daneben zu mustern, ein Schwarzweißporträt. Auf dem Foto sah sie ungefähr so alt aus, wie sie bei ihrem Tod gewesen war, aber ich machte mir klar, dass sie deutlich jünger gewesen sein musste.
    »Drücken Sie sich?«
    Ich zuckte zusammen. »’tschuldigung, ich dachte, es wäre niemand hier.«
    Clare stand mit verschränkten Armen in der Schlafzimmertür, sie trug ein schwarzes Kleid mit Stehkragen und dreiviertellangen Ärmeln. Nicht lang genug, um ihre Handgelenke zu verbergen.
    Verglichen mit den anderen Frauen und Mädchen, die ich so kennenlernte, war sie schwer zu durchschauen. Bei anderen Jobs für Männer wie Pat konnte ich sofort sagen, worauf es ihre Frauen abgesehen hatten. Einige wollten Geld, andere die gesellschaftliche Stellung, und manche blieben gerade lange genug, um sich die Alimente zu sichern.

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