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Kalter Schmerz

Kalter Schmerz

Titel: Kalter Schmerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Jameson
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Einzelkind wie sie erkennt man aus einem Kilometer Entfernung. Die erkennt man im Einkaufszentrum, beim Fußball, überall … Guck sie dir an! Das ist das Gesicht eines Menschen, der alles bekommt, was er will und wann er will, sein ganzes Leben lang. Dazu noch ihr Aussehen … Da leuchtet es doch erst recht ein.«
    Schweigen.
    »Was glaubst du, warum hat sie mir das geschickt?«, fragte ich. »Falls sie wirklich … mit mir spielt …«
    »Ja, das tut sie. Guck sie dir doch an!«
    »Das sagst du die ganze Zeit …«
    »Weil es auf der Hand liegt, Nic, verdammte Scheiße …« Erhielt das Video an, ließ es noch einmal von vorne laufen, klickte wieder auf Pause. »Schau sie dir an, ich meine, betrachte sie mal so, wie normale Menschen sie sehen würden. Ihr gesamtes Leben liegt vor einem.«
    »Na, dann erzähl mal.« Ich lehnte mich mit verschränkten Armen zurück.
    »Die beste Beziehung hatte sie offensichtlich zu ihrem Vater, und so wie mit ihm kommuniziert sie mit der ganzen Welt, gewinnt Männer für sich, manipuliert sie. Das ist keine laszive Anmache, das ist ein Kind, das sich ins Zeug legt, um eine Reaktion zu provozieren.«
    »Und wie reagiere ich?«
    »Komm mir nicht so von der Seite, Süßer.« Mark legte den Kopf schräg. »Ich schätze, das wird nicht das einzige Mal bleiben, dass du dir dieses Video anguckst, stimmt’s?«
    »Manchmal bist du ein arroganter Wichser, weißt du das?«
    Grinsend legte er die Beine auf den Couchtisch. » Moi? Erzähl mir nicht, dass du nicht an ›MrsDyer … XXX ‹ denkst!«
    »Ha, fick dich!«
    »Weißt du Näheres über ihre Beziehung zu Emma?«
    »Nicht so viel, wie ich gerne wüsste. Sie widersetzt sich meinen Fragen. Irgendetwas stimmt da auf jeden Fall nicht.«
    »Man kann sich vorstellen, dass es nicht leicht gewesen ist, ihre Tochter zu sein.« Er wies mit dem Kopf auf den Monitor.
    »Warum?«
    »Gegen so ein Ego anzukommen.«
    »Meinst du, sie war neidisch auf ihre eigene Tochter?« Beim Aussprechen der Frage bekam ich einen säuerlichen Geschmack im Mund, doch es leuchtete ein.
    »Solche Menschen … ich glaube, es liegt in ihrer Natur, auf Konkurrentinnen neidisch zu sein. Egal, um wen es geht.« Er zog ein Gesicht. »Sie bringt Ärger.«
    Ich hatte eine Idee und beugte mich vor, um das Video noch einmal ablaufen zu lassen.
    Clare stand vor der Kamera, justierte das Objektiv, schaute auf etwas hinunter.
    »Sie muss einen Laptop haben«, sagte ich und war sicher, etwas auf der Spur zu sein. »Sie guckt da gerade auf die Tastatur, das muss eine Webcam sein.«
    »Ich wette, das ist nicht ihr erstes Video«, fügte Mark hinzu. »Könnte interessant sein, das herauszubekommen.«
    »Allerdings. Ich werde mir den Laptop besorgen.«
    »Mach das nicht …«
    »Was?«
    Er musterte mich von oben bis unten auf eine Art, die mich an Tony erinnerte. In dem Moment, als ich an ihn dachte, ließ ich mir noch mal Harriets Mailboxnachricht durch den Kopf gehen. Ich dachte an meine Eltern, an mein Versprechen wiederzukommen und daran, dass ich es niemals halten würde. Es war wie immer leicht, alles zu verdrängen.
    »Sie bringt Ärger«, wiederholte Mark. »Versteh mich nicht falsch, sie sieht super aus und … Egal, aber sie bringt Ärger. Mach bloß keine Dummheiten, du weißt nicht, was sie im Schilde führt.«
    »Kann ich aber rausfinden …«
    »Es geht um Emma, vergiss das nicht«, sagte er.
    »Hm, ja.« Ich klappte den Laptop zu, voller Unbehagen, weil ich ihr Gesicht nicht länger betrachten wollte. »Ja, ich weiß.«

19
    Es war bitterkalt. Bürgersteig und Häuser waren von einer dünnen Eisschicht überzogen.
    Ich würde mir den Laptop besorgen. Egal wie.
    Sie mochte launisch sein, schwer zu durchschauen, doch letztendlich war sie eine Frau – eine heutzutage nicht gerade moderne Einstellung, die mir aber die Zuversicht vermittelte, dass ich, wie intelligent oder verrückt die Welt auch war, immer die Oberhand behalten würde, wenn es ums Körperliche ging. Nackte Gewalt war unsere letzte Option auf Überlegenheit.
    Ich war mit der U-Bahn bis Marylebone gefahren und den Rest des Weges zu Fuß gegangen. Als ich auf ihr Haus zusteuerte, meinte ich, schwach vom Wind herangetragene Stimmen zu hören, doch erst als ich näher kam, wurde mir klar, dass sie aus dem Haus drangen. Ich konnte durch die Eingangstür hören, wie die beiden sich anschrien.
    »Clare, hör auf! Hör … verdammt noch mal … auf!«
    »Oder was, hä? Oder was? Was tust du sonst, Pat? Willst du mich

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