Kalter Schmerz
fiel mir schwer, meinen Ekel in seiner Nähe unter Kontrolle zu halten, deshalb versuchte ich, so lange wie möglich aus dem Fenster zu schauen, während er redete. Meine Gedanken kehrten immer wieder zum Haus zurück. Ich fragte mich, ob Pat von den Videos wusste, die sie aufnahm. Es erregte mich auf ganz sonderbare Weise, seine Frau so gesehen zu haben.
»Weißt du, ob Emma einen Freund namens Matt hatte? Matt Masters?«
»Kommt mir nicht bekannt vor.«
»Kyle?«
»Kyle?«
»Browning.«
»Kann sein … Sagt mir aber nicht viel, sie redete ständig von irgendwelchen Freunden.« Er versuchte, sich mit einer Hand eine Zigarette anzuzünden. »Ich muss was trinken. Du auch? Ich weiß, es ist noch nicht Mittag, aber …«
»Ist ein bisschen früh für mich, danke.«
»Ist seltsam, wenn Zeit nichts mehr bedeutet.«
Ich schwieg, blickte aus dem Fenster auf die Geschäfte. Noch immer kämpfte er mit dem Feuerzeug.
»Das ist keine ›Phase‹«, sagte er. »Es verändert sich nicht … hört einfach nicht auf.«
Ich dachte an Tony und schaute Pat an.
»Es verändert sich nie.«
Vor uns tauchte eine rote Ampel auf.
»Pat!«
Mit einem Kreischen stieg er auf die Bremse. Ich flog nach vorne, knallte in den Gurt, spürte, wie der Wagen auf den Bürgersteig fuhr und dort an einer Bushaltestelle zum Stehen kam. Durch die Windschutzscheibe starrte uns ein junges Pärchen an. Das war alles, was ich eine Zeitlang registrierte: wie sie durch die Scheibe spähten. Dann hörte ich, dass Pat fluchte.
»Scheiße … verdammte Scheiße …«
Ich atmete stoßweise, abgehacktes Schnaufen, stieg mit wackligen Beinen aus dem Wagen. Kurz stützte ich mich am Dach ab, doch es schien nichts gebrochen zu sein.
Pat kam ebenfalls raus, aber ich sah ihn nicht an.
Der Verkehr rauschte an uns vorbei, der Wind ging mir tief unter die Haut. Ich konnte den Blick nicht von meinen Händen abwenden, die auf dem Metall ruhten. Ich stellte sie mir blutüberströmt vor, die Hände eines Körpers, der mit der Karosserie zusammengestoßen war.
Es dauerte lange, bis ich den Kopf hob.
Pat lehnte mit dem Rücken zu mir an der Fahrertür.
»Alles klar bei dir?«, brachte ich heraus.
Er antwortete nicht.
Ich richtete mich auf und schielte zu dem Pärchen an der Bushaltestelle hinüber, doch die beiden unterhielten sich, gelangweilt vom flüchtigen Drama. Pats Schultern zuckten, er hob die Hand und rieb sich die Augen.
Ich schluckte. »Alles klar bei dir?«
Er schniefte, drehte sich um und senkte den Blick auf den Fahrersitz. »Jep.«
»Soll ich fahren?«
Er hatte rote Augen, und jetzt schaute er an mir vorbei, auf die Straße. In seinem Gesicht war etwas, das fast sehnsüchtig wirkte.
»Man glaubt, alles ist vorbei«, sagte er.
»Wie?« Ich hob die Augenbrauen. »Alles ist aus und vorbei?«
»Nein, ist es nie, oder?« Er schnaubte verächtlich und stieg wieder ein. »Komm!«
»Ich gehe zu Fuß«, sagte ich.
Ich ging den ganzen Weg zurück nach Marylebone zu Fuß. Ich hätte die U-Bahn nehmen können, aber ich wollte gern feiern, dass mir meine Beine noch zur Verfügung standen. Ich wollte zurück, um den Laptop zu holen, redete ich mir eine Weile ein, dann verwarf ich die Idee als lächerlich und gestand mir ein, dass ich einfach neugierig war.
Mark hatte mich am Morgen bei einem Becher Kaffee ausgelacht: »Sie könnte dich über die Schulter werfen und auf dir spielen wie auf einer Keytar.«
Als das Haus wieder in Sicht kam, ging ich in Gedanken durch, was ich sagen, wie ich mich verhalten wollte. Es schien mir am besten, mich gleichgültig zu geben, als würde ich so etwas ständig erleben. Es war jedoch schwer, keine Besorgnis zu zeigen, mich nicht mit der Frage zu quälen, ob sie eine neue Prellung, eine neue Narbe oder Schlimmeres vorzuweisen hätte.
Ich klopfte an die Tür und lauschte. Als ich durch den Briefschlitz spähte, meinte ich, eines der Bilder hinge schief, aber es konnte auch schon immer so gehangen haben.
Irgendwo lief Musik.
Ich klopfte erneut und wartete.
»Ist Pat bei dir?« Ihre Stimme drang leise durch dir Tür.
Ich trat einen Schritt vor. »Nein, ich bin allein.«
»Hat er dich geschickt?«
»Nein.«
Es gab eine Pause, dann wurde die Kette beiseite geschoben. Sie öffnete die Tür, ließ sie aber angelehnt. Ich hörte, wie sie zurück durch den Flur ging, und trat ein.
Es war dunkel. Entweder hatte sie die Vorhänge nicht zurückgezogen, oder es hing etwas vor den Fenstern im Wohnzimmer. Sie blieb in
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