Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kalter Schmerz

Kalter Schmerz

Titel: Kalter Schmerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Jameson
Vom Netzwerk:
und ihre Mutter flippte total aus, schlug ihr mitten ins Gesicht. Ich fand es nicht so wichtig. Ich meine, meine Eltern haben mir ständig eine gewischt, aber für Ems war das eine ganz große Sache, glaube ich. Ich glaube nicht, dass sie es gewohnt war.«
    Ich hatte inzwischen fast einen Punkt erreicht, wo ich nichts mehr über Clare wissen wollte. Je mehr ich über sie erfuhr, desto schwerer wurde es, ihr Tun zu durchschauen.
    »Danke«, sagte ich. »Willst du irgendwas?«
    Daisy zog ein Gesicht und warf einen flüchtigen Blick auf das Baby. »Nicht, solange er hier ist. Das wäre ein bisschen komisch.«
    »Nein, ich meine, weil du mit mir gesprochen hast. Einen Hunni für die Infos?«
    »Aha? Ja, geil, danke!«
    Ich mochte sie. Die Art, wie sie sprach, brachte mich zum Lachen. Ich hätte ihr nicht weh getan, und ich wollte, dass sie das wusste.
    Ich stand auf, da fiel mir etwas ein, das mich innehalten ließ.
    »Das heißt, du warst Emmas Freundin?«, sagte ich. »Und trotzdem hast du mit ihrem Freund geschlafen?«
    »Schon gut, Herr Pastor , doch nicht, als sie noch lebte!« Daisy schüttelte den Kopf und machte ein bestürztes Gesicht. »Niemals. Nur hinterher … Ich konnte hier wohnen, bekam Drogen, alles. Der Sex ist mir halt nicht so verflucht heilig, mehr nicht.«
    »Schon gut.« Ich rechnete nicht damit, dass ihr meine Meinung über sie besonders wichtig war.
    »Und, kommst du mich noch mal besuchen, oder heißt es jetzt adios ?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Also, Mikey mag mich, glaube ich.«
    Der Kleine gluckste, als sie ihn hochhob und wieder auf ihre knochigen Knie setzte.
    Ich reichte ihr ein paar Scheine, sie zwinkerte mir zu.
    »Egal. Man weiß ja nie. Vielleicht kommst du morgen wieder, und ich bin schon in Timbuktu.«
    »Kommst du hier klar?«
    »Ja! Jesus auf’m Leihrad, so schlimm ist es auch wieder nicht. Wo wohnst du denn? Ich wette, du kommst aus ’ner richtig großkotzigen Ecke.«
    »Hab ’ne Wohnung im West End.«
    »Versteckst du dich vor den Hipstern dort?« Sie schniefte. »Will ja nichts sagen, aber für die Gegend siehst du echt nicht angesagt genug aus.«
    »Tja, falls du weg bist, wenn ich zurückkomme, werde ich dich wohl erst wiedersehen, wenn ich ’ne Katze bin.«
    »Halt dich bloß von meinem Vogelhaus fern, du Bitch.«

29
    Wenn es irgendjemand anders als Clare wäre, fragte ich mich, als ich im Auto saß, würde ich es ihr erzählen? Die Antwort lag auf der Hand. Ohne zu zögern hätte ich jedem anderen Auftraggeber erzählt, dass seine Tochter ohne sein Wissen schwanger gewesen war. Das war schließlich mein Job.
    Das machte es alles nicht einfacher. Am liebsten hätte ich keinen von beiden gut genug gekannt, um vorhersagen zu können, welche Wirkung diese Information haben würde.
    Es dauerte fast eine halbe Stunde, doch schließlich stieg ich aus dem Wagen, ging zur Haustür und drückte auf die Klingel.
    Nichts.
    Ich hockte mich hin und schaute durch den Briefschlitz.
    Kein Licht.
    Nichts.
    Immerhin war mir damit die schwerste Entscheidung abgenommen. Anstatt es Clare zuerst zu sagen, würde ich es Pat erzählen. Ich trat zurück, um zu prüfen, ob in den Fenstern im ersten Stock Licht brannte, aber es schien niemand da zu sein.
    Als ich erleichtert zurück beim Auto war, hörte ich Schritte auf dem Bürgersteig. Clare kam auf der anderen Seite angejoggt – in Laufhose wirkte sie noch dünner –, und ich sah ihr zu, bis sie mich bemerkte.
    Ich überquerte die Straße und wartete vor ihrem Haus.
    Es war das erste Mal, dass ich sie ungeschminkt sah. Deshalb wirkte sie so verändert.
    »Hi«, sagte sie, als sie neben mir stehen blieb und den Schlüssel hervorholte. »Was ist los?«
    »Passt es gerade?«
    »Hm … doch, denke schon. Gibt’s was Neues?«
    »Also, ich mache Fortschritte, aber … Du wirst dich wohl lieber hinsetzen wollen.«
    Der Pony klebte ihr an der Stirn, ihr Shirt war am Rücken feucht und zeichnete ihre Schulterblätter nach. Als es ihr endlich gelang, die Tür aufzuschließen, merkte ich, dass sie zitterte.
    »Fünf Meilen«, sagte sie und folgte meinem Blick. »Dumm von mir, hab kein Wasser mitgenommen. So … ich soll mich also hinsetzen?«
    »Ähm …«
    »Ich stehe gut, danke.« Im Flur zog sie Turnschuhe und Socken aus und ging dann in die Küche, um sich ein Glas Wasser aus dem Hahn einzuschenken. »Na komm. Schieß los. Ehrlich, nichts, was du sagen könntest, würde mich noch überraschen.«
    Ich kam näher und ging im Kopf durch, wie

Weitere Kostenlose Bücher