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Kalter Süden

Kalter Süden

Titel: Kalter Süden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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sagte Annika.
    »Bei einem Menschen, der nicht daran gewöhnt ist, wirken schon sechzig Milligramm Morphinchlorid tödlich. Das sind entweder drei oder sechs Tabletten, je nach Wirkstoffkonzentration. Das Gift, das sich noch in den halbleeren Bierflaschen befand, hätte einen Elefanten umgehauen.«
    Annika hielt sich am Armaturenbrett fest, als Niklas Linde einen Bus mit Golfrentnern überholte.
    »Und was ist dann während des Einbruchs passiert?«, fragte sie. »Die Einbrecher hatten sich doch ein Gegengift gegen das Gas gespritzt …«
    »Ein Naloxonderivat, ja, das stimmt, Spuren davon wurden in ihrem Blut gefunden.«
    »Und sie sind durch das Tor gekommen, indem sie den Zugangscode eingegeben haben. Woher kannten sie den?«
    »Der Code war der, den die Wachgesellschaft benutzt, nicht der, den die Familie selbst gewählt hatte. Es passiert ziemlich oft, dass solche Codes verkauft werden. Es ist sogar schon häufiger vorgekommen, dass Wachgesellschaften große Raubzüge nicht nur ermöglicht, sondern selbst organisiert haben, unter anderem in einem Wohnkomplex in Nueva Andalucía.«
    Annika kratzte sich an der Wange.
    »Dann haben sie die Familie mit Gas ausgeschaltet«, sagte sie, »sind ohne Gasmasken hineingegangen, haben die Wand mit dem Tresor aufgestemmt, ihn nach draußen in das eine Auto getragen, anschließend das Haus ausgeräumt und die Sachen in den Lastwagen geladen, und dann sind sie weggefahren.«
    »Ungefähr so.«
    »Und als sie sich in Sicherheit glaubten, haben sie die Bierflaschen aufgemacht, um zu feiern.«
    Niklas Linde nickte.
    Sie verließen die chaotische Schnellstraße und fuhren auf die Mautautobahn.
    »Aber diese Spritze hat doch bestimmt dafür gesorgt, dass sie keinen Rausch bekamen?«, sagte Annika. »Das Mittel müsste doch alle Arten von Betäubungseffekten blockieren. Wie konnten sie da an dem Morphin sterben?«
    »Das Naloxonderivat hat sie nur eine oder zwei Stunden geschützt. Danach konnte das Morphin seine Wirkung entfalten. Darum sind sie überhaupt so weit gekommen. Sie müssen müde geworden sein und haben auf dem Parkplatz in La Campana Pause gemacht, um sich auszuruhen.«
    »Ich nehme an, auf den Bierflaschen wurden keine anderen Fingerabdrücke gefunden als die der Einbrecher?«
    »Korrekt.«
    Sie schwiegen eine Weile. Berge, Meer und Vegetation flimmerten vor dem Autofenster vorbei. Annika schloss die Augen und sah das Kinderzimmer des Mädchens vor sich: das zerwühlte Bett, die Wasserfarben, die Puppe mit den braunen Locken. Sie erinnerte sich an den Flur mit den geschlossenen Türen zum Elternschlafzimmer, den Fußboden, auf dem die Kinder gestorben waren.
    »Irgendwas an diesem Einbruch ist sehr merkwürdig«, sagte sie. »Oder?«
    Niklas Linde blickte geradeaus und antwortete nicht.
    Plötzlich ging ihr ein Licht auf.
    »Niemand präpariert Bier mit einer tödlichen Dosis Morphin, wenn er nicht von vornherein plant, die Biertrinker abzumurksen.«
    »Völlig richtig.«
    Annika schüttelte sich. Er sah es und stellte die Klimaanlage auf kleinere Stufe.
    »Das war ein genau geplanter Massenmord, der als Einbruch getarnt wurde«, sagte sie. »Habt ihr eine Ahnung, wieso?«
    Der Polizist schüttelte den Kopf.
    »Die haben sorgfältig hinter sich aufgeräumt. Die Täter, die den eigentlichen Raub begangen haben, waren ein Risikofaktor, aber der wurde eliminiert. Die Erklärung findet sich wahrscheinlich in dem Tresor, aber den werden wir nie wiedersehen.«
    Annika betrachtete die Landschaft.
    »Was unternimmt die spanische Polizei?«
    »Nichts«, antwortete Niklas Linde. »Ermittlungstechnisch gilt der Fall als aufgeklärt. Die Einbrecher sind tot. Ein paar Fragen sind unbeantwortet geblieben, aber das passiert fast immer.«
    »Höre ich da Kritik heraus?«
    Er zuckte mit den Schultern.
    »Offiziell habe ich mit den Ermittlungen nichts zu tun«, erwiderte er. »Mein Gebiet ist der internationale Rauschgifthandel, lokale Villeneinbrüche gehen mich nichts an.«
    »Aber du findest, dass die Spanier die Sache zu schnell ad acta gelegt haben?«
    Er setzte sich zurecht und räusperte sich.
    »Es müssen Motive hinter dem Einbruch stecken, die noch im Dunkeln liegen«, sagte er. »Eine ganze Familie hinzurichten zeugt von schrecklicher Brutalität. Der Mörder hat ein klares Zeichen gesetzt. Wir wissen auch nicht, welches der Opfer das eigentliche Ziel war. Die ganze Familie oder nur ein Familienmitglied?«
    »Die Kinder wohl kaum«, sagte Annika. »Was bedeutet, dass sich

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