Kalter Süden
mit nach oben zu kommen?«
Niklas Linde legte den Gang ein und fuhr vor zur Zahlstelle.
Es war viel einfacher, als sie gedacht hatte. Da war keine Verlegenheit und keine Versagensangst. Die Kleider landeten hinter der Zimmertür auf dem Fußboden, er betrachtete sie mit lächelnden und gleichzeitig ernsten Augen, und sie schaffte es, ihn ebenfalls anzusehen. Er küsste sie ausgiebig. Er schmeckte anders als Thomas. Sein Körper war fester, aber das Tempo langsamer.
Hinterher blieb er bei ihr.
Donnerstag, 28 . April
Lotta hatte sich schon häuslich an einem Fenstertisch niedergelassen, als Annika in den Frühstückssaal kam. Vor der Fotografin stand das halbe Büfett: Eier und Bacon, Cornflakes in rosa Joghurt, ein Glas Orangensaft, ein Glas Tomatensaft, eine Scheibe Brot mit Käse und Paprika und zwei Schokoladencroissants.
Annika holte sich eine Tasse Kaffee und eine englische Morgenzeitung und setzte sich neben Lotta. Aus dem Augenwinkel beobachtete sie, wie Niklas Linde durch das Hotelfoyer zur Eingangstür ging. Sie würden sich am Nachmittag wieder treffen und miteinander durchgehen, welche Arbeit die schwedische Polizei an der Costa del Sol im Kampf gegen Drogen und Geldwäsche leistete.
»Du ahnst ja nicht, was du gestern Abend verpasst hast«, sagte Lotta und kaute energisch auf einem Bissen zähem Brot. »Ich habe unten am Hafen in einer richtig urigen Tapasbar phantastisch spanisch gegessen.«
Sie war offensichtlich darüber hinweggekommen, dass Annika während des Interviews mit den Polizisten ihr Handy ausgeschaltet gelassen hatte.
»Und wusstest du, dass das Gebirge, das man da drüben sieht, tatsächlich schon Afrika ist?«, fuhr sie fort.
Annika blickte die Fotografin kurz an, um sich zu vergewissern, ob sie sie nicht auf den Arm nehmen wollte. Nein, offenbar nicht.
»Isnichwahr«, sagte Annika und schlug die Zeitung auf.
Sie war innerlich immer noch ganz heiß, spürte Niklas’ Arme um ihren Rücken. Sie hatten eben noch zusammen geduscht, etwas, was sie mit Thomas nie getan hatte. Der wollte im Bad immer seine Ruhe haben.
»Natürlich ist es furchtbar mit der schrecklichen Kriminalität hier unten«, sagte Lotta und begann, den Joghurt in sich hineinzuschaufeln. »Ein Mann in der Kneipe hat gesagt, dass es hier eine Mafia gibt.«
»Vierhundertzwanzig verschiedene Gruppierungen«, sagte Annika und blätterte die Zeitung um.
Lotta riss die Augen auf.
»Wie bitte? Woher willst du das wissen?«
»Von den Polizisten«, erwiderte Annika. »Das haben sie bei der Besprechung gestern erzählt, als du die Probleme mit dem Handy hattest.«
»Also«, sagte Lotta, »ich finde ja immer, man sollte solche Zahlen mit Vorsicht genießen. Die Polizei sagt so was nur, um ihr Budget zu rechtfertigen. In solchen Fällen muss man unbedingt richtig journalistisch arbeiten und die Basisfakten gründlich recherchieren. Diese Art von Arbeit wird heutzutage in den Redaktionen wirklich vernachlässigt.«
Annika sah auf ihre Armbanduhr.
»Ich denke, ich gehe mal aufs Zimmer und recherchiere ein paar Basisfakten«, sagte sie. »Wollen wir uns in einer Stunde hier unten treffen?«
Sie ging zum Frühstücksbüfett, nahm sich Brot, Käse und Schinken, wickelte alles in Servietten und packte es in ihre Tasche.
Anschließend ging sie auf ihr Zimmer, rief Carita Halling Gonzales an und erzählte ihr von der Artikelserie. Sie beschlossen, dass Carita sie nach Málaga begleiten sollte, und verabredeten sich für neun Uhr im Foyer.
Sie verputzte Brot, Käse und Schinken, während sie gleichzeitig die schwedischen Tageszeitungen im Internet überflog. Dann schaltete sie den Laptop aus, blieb am Schreibtisch sitzen und schaute mit leerem Blick ins Zimmer. Schließlich stand sie auf, ging langsam durch den Raum und kroch in das ungemachte Bett. Sie konnte noch immer seinen Geruch im Bettzeug riechen.
Das ist keine Liebe, dachte sie. Das passiert nur, weil ich es will.
Das Gefängnis befand sich in einem polígono nicht weit vom Flughafen entfernt. Es war ein flaches, einstöckiges Gebäude aus Betonplatten, gestrichen mit einer dünnen Schicht Kalkfarbe, die irgendwann einmal vermutlich weiß gewesen war. Jetzt blätterte sie ab, graugrün von Luftverschmutzung und Feuchtigkeit. Um das Haus zog sich eine Mauer, die von einem Elektrozaun und Stacheldraht gekrönt war.
»Nicht gerade das Hilton«, sagte Carita Halling Gonzales auf dem Rücksitz und spähte durch die Windschutzscheibe.
Annika sah auf die Uhr, noch
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