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Kalter Süden

Kalter Süden

Titel: Kalter Süden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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und der Produktion von Cannabis beziehen. Wissen Sie, wie die das machen?«
    Sie schüttelte den Kopf. Der Polizist wischte sich seine fettigen Fischfinger an ihrer Serviette ab und zog Block und Stift zu sich heran.
    »Die Aussaat erfolgt im Frühjahr, die Pflanzen wachsen im Laufe des Sommers heran«, sagte er und zeichnete eine Pflanze mit langfingrigen Blättern. »Hier, ganz oben, sitzen die Samen, umschlossen von Kapseln. Zwischen Kapselwand und Samen befindet sich ein feines gelbes Pulver, der Pollen. Wenn die Pflanzen im Herbst geerntet werden, legt man sie zwischen feinmaschige Stoffe und deckt eine Plastikplane darüber, und dann schlägt man mit Stöcken darauf, um die Samenkapseln zu zertrümmern. Das Pollenpulver fällt durch die Stofftücher zu Boden und bildet eine Schicht.«
    Sie betrachtete die Zeichnung, ein Samenkorn mit einer Kapsel drum herum. Es sah aus wie ein Spiegelei.
    Der Polizist blickte in die Eingangshalle, und in seine Augen trat ein träumerischer Ausdruck.
    »Den ganzen Oktober und November hallen die marokkanischen Nächte von den Schlägen der Stöcke wider, dumm-dumm, dumm-dumm. Das sind die hundertzwanzigtausend Familien, die ihren Hanf dreschen. Als Außenstehender hat man natürlich keine Ahnung, was das für Geräusche sind.«
    Er trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte.
    »Nächtelang«, sagte er leise, »bis alle Pflanzen dreimal ausgedroschen sind. Damit haben sie ihre Arbeit getan. Dann kommen die Aufkäufer.«
    Er nahm die Finger vom Tisch.
    »Die Kartelle, die mit Cannabis handeln, halten sich jeweils einen festen Stamm von zwanzig, fünfundzwanzig Hanfbauern. Pollenpulver und Pflanzenteile werden an die Küste transportiert, wo sie getrocknet und zu Platten gepresst werden. So wird das schon seit Urzeiten gehandhabt.«
    Er trank von seinem Bier und blickte Annika an.
    »Was wissen Sie über Haschisch?«
    Annika nahm einen Schluck von ihrem Mineralwasser.
    Zu Hause in Hälleforsnäs hatten sie sich hinter den Schneewällen am Hockeyfeld getroffen und geraucht. Sven hatte das Dope besorgt, Sylvia Hagtorn brachte den Tabak zum Strecken mit und Roland Larsson die Pfeife seines Großvaters. Annika hatte sich immer ein wenig vor der Pfeife geekelt, es war ihr vorgekommen, als würde sie die alte Spucke von Rolands Opa einsaugen. Die Wirkung war auch nicht so berauschend gewesen, sie hatte sich nur benommen und verwirrt gefühlt. Gras war da viel angenehmer: Ein bisschen zerriebenes Marihuana, in Zigarettenpapier gerollt, machte sie albern und hungrig auf Süßes.
    »Ich weiß zumindest, dass man es raucht«, antwortete sie und sah auf ihren Block.
    »Aus dem ersten ausgedroschenen Pollen macht man Haschisch der Kategorie eins, das ist die höchste Qualität. Das bekommen wir in Schweden so gut wie nie, das wird unterwegs aufgekauft. Das Hasch, das bis zu uns kommt, ist Kategorie drei, die schlechteste Qualität, also die Reste des dritten Durchgangs.«
    Vielleicht hat es deswegen bei mir nicht gewirkt, dachte Annika.
    »Wie wird das Hasch nach Europa geschafft?«, fragte sie.
    Niklas Linde veränderte seine Sitzhaltung. Sein Bein drückte wie zufällig gegen ihren Schenkel.
    »Die Verschiffung erfolgt im Februar und März in zwei kleineren Küstenstädten, Nador und Asilah«, sagte er.
    Sie nickte und merkte plötzlich, dass ihr der Mund ganz trocken wurde. Sie ließ ihr Bein, wo es war.
    »Neuerdings verwenden sie Schnellboote, sie nennen sie gofast -Boote.«
    Sie trank durstig von ihrem Mineralwasser.
    »Diese Schnellboote sind eigentlich nichts anderes als große Kähne mit drei, vier oder fünf 225 PS Yamaha-Außenbordern am Heck. Die eine Hälfte des Bootes nimmt das Benzin ein, die andere Hälfte ist vollgepackt mit Rauschgift. Die Dinger sind so schnell, dass sie jedem Helikopter davonfahren. Auf dem Meer legen sie Stopps bei Schiffen ein und füllen ihre Brennstoffkanister auf, und dann fahren sie weiter, manchmal bis hoch nach Barcelona.«
    Niklas Linde streckte ihr mit einer Hand sein Mobiltelefon entgegen. Die andere Hand legte er ihr aufs Knie. Überrascht nahm sie das Telefon und blickte auf das Display, auf dem ein ruckelnder Film ablief. Sie sah einen lachenden dunkelhäutigen Mann, der dicht umringt von Frachtpaletten hinter einem Steuer stand. Seine Haare flatterten im Wind. Derjenige, der die Kamera hielt – wer immer das sein mochte –, filmte dann mit einem 360 °-Schwenk seine Umgebung. Sie begriff, dass der Film auf einem riesigen Frachtkahn

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