Kalter Süden
und gelacht, bis Thomas sie zur Ordnung rief.
Die Wohnung fand er »hübsch«.
Sie sagte: »Schön, dass du vorbeigekommen bist.«
An diesem Abend hatte sie lange geweint, und nun sollte sie Thomas also wiedertreffen.
Sie schaute auf die Uhr. Noch eineinhalb Stunden.
Sie stieg aus dem Bett, setzte sich an ihren Computer und loggte sich ins Netzwerk des Hotels ein. Ziellos surfte sie durch die schwedischen Nachrichtenseiten.
Das Abendblatt hatte die weltbewegende Schlagzeile »Zehn gute Weine für einen gelungenen Tanz in den Mai« als Aufmacher.
Und ich dachte, es kommt auf die Gesellschaft an, dachte sie.
Auf die Weinstory folgten zwei Wirtschaftsartikel. Im ersten ließ man sich darüber aus, wie geizig Ikea-Gründer Ingvar Kamprad war. Der zweite echauffierte sich darüber, dass der Schlagerstar des Jahres das Geld zum Fenster hinauswarf, indem er im Privatflugzeug auf Promotion-Tour ging. Es wurde nicht deutlich, was von beidem schlimmer war.
Der Konkurrenten brachte als Erstes: »Dies sind die Schnäppchen des Sommers« und gleich darauf »So entgehen Sie der Luxusfalle«. Sie klickte die Seiten weg und öffnete ihre Facebook-Seite. Es war schon eine Weile her, dass sie sich zum letzten Mal eingeloggt hatte. Sie hatte acht neue Mitteilungen erhalten, alle von Polly Sandmann, Suzettes bester Freundin aus Blackeberg.
Die meisten ihrer Mails waren lang und handelten vom Leben, vom Tod und von der Liebe, aber zwischendurch meldete sie sich auch mit kurzen Informationen oder mit konkreten Fragen.
Annika begann mit der obersten Nachricht, las also die neueste zuerst. Sie enthielt lediglich eine kurze und präzise Frage:
»Ist überall auf der Erde gleichzeitig Vollmond?«
Annika blinzelte.
Das wusste sie ehrlich gesagt selbst nicht. Eigentlich konnte das ja nicht sein. Oder doch?
Im Geiste machte sie sich eine Notiz, das herauszufinden.
Die nächste Mitteilung war eine lange Erzählung über einen Dokusoap-Star, der Astronaut wurde.
Die dritte Mail bestand aus drei Sätzen:
»Suzettes Mama hat die Wohnung verkauft. Sie hat Suzettes Sachen einfach zum Sperrmüll gegeben. Ich weiß nicht, wo sie hingezogen ist.«
Annika las die Mail zweimal und spürte, wie sich ihr Hals zuschnürte.
Suzette war völlig bedeutungslos. Langsam, aber sicher verschwand sie. Alles, was sie ausmachte, was sie mochte und kannte, löste sich auf, und es kümmerte niemanden.
Die Nachricht stammte vom 16 . April.
Ich muss dieses Postfach besser im Auge behalten, beschloss Annika.
Es folgten drei Mails mit schwermütigen Gedichten über verschwundene Freunde.
Die vorletzte war sehr kurz, nur zwei Sätze:
»Ich habe eine seltsame Mail bekommen. Ich glaube, sie ist von Suzette.«
Annikas Herz schlug plötzlich so heftig, dass sie ihren Puls in den Adern klopfen fühlte. Sie atmete schneller.
Ich glaube, sie ist von Suzette.
Sie schaute schnell nach, ob Polly Sandmann online war. Sie klickte auf »Pop Out Chat«, und das Facebook-Chatprogramm öffnete sich. Sie schrieb: »Hallo Polly! Hier ist Annika Bengtzon. Was hat es mit dieser seltsamen Mail auf sich, die Du bekommen hast? Wieso glaubst Du, sie wäre von Suzette?«
Sie schickte die Frage los und starrte dann auf den Schirm. Sie sah, dass sie ein neues request hatte. Rolle aus Mellösa fragte, ob er sie zu seinen Freunden hinzufügen dürfe.
Es dauerte einen Moment, bis sie kapierte, dass es sich bei Rolle aus Mellösa um ihren alten Klassenkameraden Roland Larsson handelte, der während der gesamten Schulzeit in sie verliebt gewesen war. Jimmy Halenius’ Cousin.
Skeptisch schaute sie auf den Bildschirm und fragte sich, ob der Typ das wirklich ernst meinte. Wie konnten erwachsene Menschen ihre Zeit freiwillig mit so einem Kinderkram verschwenden?
Andererseits gab es Leute, die ihr gesamtes Berufsleben damit verschwendeten, unseriösen Firmen dabei zu helfen, sich ihrer Steuerpflicht zu entziehen, zum Beispiel durch Unternehmen in Gibraltar.
Sie akzeptierte Roland als Freund. Sah auf die Uhr. Vielleicht saß Polly nicht am Computer? Möglicherweise hatte sie ihn einfach angelassen und war mit ihren Freundinnen Kaffee trinken gegangen.
Eine Sekunde später meldete sich das Chatprogramm.
»Glauben Sie an Nachrichten aus dem Jenseits? Früher haben die Toten durch Geister gesprochen, aber vielleicht mailen sie ja heutzutage?«
Annika antwortete kurz und knapp: »No way. Was schreibt sie?«
Es dauerte eine weitere Minute.
»Die Mail ist von Gunnar Larsson. Es
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