Kalter Süden
und Diskotheken, die den Kai säumten, pumpten Licht und Musik nach draußen.
Thomas steuerte auf die Sinatra Bar zu.
»Können wir raus auf den Pier gehen?«, fragte Annika.
Sie hatte keine Lust, Niklas Linde und seinen Mädchen zu begegnen.
Sie gingen am Leuchtturm vorbei und hinaus auf die Mole. Der Wind war kalt, Thomas knöpfte sich das Sakko zu und schlug den Kragen hoch. Annika versenkte die Hände in den Hosentaschen ihrer Jeans. Sie gingen dicht nebeneinander, ohne sich zu berühren.
»Ich wünschte, ich hätte vieles anders gemacht«, sagte Thomas in den Wind. »Ich habe nicht an die Konsequenzen gedacht. Ich fand dich einfach nur so hart und trampelig und gefühlskalt.«
»Sie war der einfachste Ausweg«, sagte Annika. »Du hast ein Talent dafür, einfach ›irgendwo hineinzugeraten‹.«
Er nickte und blieb stehen, ohne sie anzusehen. Im Südwesten glühten vereinzelte Lichter auf der afrikanischen Seite.
»Ich weiß, dass ich Fehler gemacht habe«, sagte Annika. »Ich habe mich auch gedrückt. Und ich bin sicher, dass wir zurechtgekommen wären, wenn wir uns Hilfe geholt hätten.«
Nun sah er sie an.
»Glaubst du, es ist zu spät?«, fragte er.
Sie dachte, sie hätte sich verhört, vielleicht hatte der Wind ihr einen Streich gespielt.
»Zu spät?«, fragte sie.
Er legte ihr die Hand auf die Wange und küsste sie.
Sie erstarrte. Seine Lippen waren weich und kalt. Sie merkte, dass er leicht verschnupft war, denn er bekam keine Luft durch die Nase.
Sie machte sich los und wischte sich mit der Hand die Nase ab. Er küsste sie noch einmal.
»Komm«, sagte er leise.
Er nahm ihre Hand und ging zurück auf den Kai und ins Licht.
Sie folgte ihm. Ihre Finger waren ineinandergeflochten, und ihr kam zu Bewusstsein, dass sie sich immer auf diese Weise an den Händen gehalten hatten. Wie hatte sie das nur vergessen können! Sie ging ein bisschen näher an ihn heran, denn es zog und schmerzte in ihrem verletzten Zeigefinger.
Sie durchquerten den Hafen und gingen hinüber zum Hotel. Wo die Lampen und die Musik nicht hinreichten, wurden die Straßen rasch leer und kalt.
Die Rezeption war nicht besetzt, aber aus dem kleinen Büro hinter der Theke drangen die Geräusche eines Fernsehers.
Leise und mit schnellen Schritten huschten sie durch die Lobby und stiegen in den hintersten Aufzug. Annika drückte auf die Drei, und Thomas strich ihr das Haar zurück. Während er sie aufs Ohrläppchen küsste, begegnete sie kurz ihrem eigenen Blick im Spiegel.
Sieschloss die Augen.
In ihrem Zimmer war es vollkommen dunkel. Thomas schaltete die Deckenbeleuchtung an und wandte sich zu ihr um.
»Ich will dich ansehen«, sagte er, »damit ich weiß, ob ich dich richtig in Erinnerung habe.«
Phantasiert er etwa von mir?, dachte sie.
Sie zog sich den Pullover und das T-Shirt aus, dabei verhakte sich der BH im Pullover. Sie trug den roten, der zu dem feinen Kleid passte, das sie nicht angezogen hatte.
Er legte ihr eine Hand auf die Schulter, liebkoste ihren Arm und umfasste ihre Brust.
Auch das hatte er immer so gemacht. Er wusste, dass es ihr gefiel.
Sie knöpfte sein Hemd auf, folgte ihren Fingern mit dem Blick, Knopf für Knopf. Dann sah sie zu ihm auf.
Seine Augen, ach, wie sie seine Augen liebte.
»Weißt du, ich habe mich richtig nach dir gesehnt«, gestand er ihr.
Ich auch, dachte sie. Jedes Mal, wenn es still um mich wird, jedes Mal, wenn ich allein bin, sehne ich mich nach dir.
Er löste ihren BH aus dem Pullover und legte ihn auf den Nachttisch. Knöpfte ihre Jeans auf und strich ihr über den Po.
»Du hast abgenommen«, sagte er.
Seine Erinnerung trügt ihn, dachte sie. Sophia ist nur kräftiger als ich.
Sie zog ihm das Hemd aus und ließ es zu Boden segeln. Er hatte einen kleinen Bauchansatz. Sie legte die Hand unter seinen Nabel und ließ sie für einen Augenblick dort liegen. Das hatte sie immer so gemacht. Es fühlte sich an, als hätte sie nie etwas anderes getan.
Danach schlief er mit ausgestreckten Armen auf dem Rücken ein, aber Annika lag wach auf seiner Schulter und starrte in die Dunkelheit.
Samstag, 30 . April
Annika bezahlte sowohl ihr Zimmer als auch das der Fotografin. Sie unterschrieb den Beleg und ging dann, mit ihrer Reisetasche beladen, geradewegs hinaus auf die Straße.
Ein paar Minuten blieb sie auf dem Bürgersteig stehen und wartete. Die Luft war immer noch kühl, die Sonne hatte sich noch nicht hinter der Sierra Blanca hinaufgekämpft.
Ihr Flug ging um zehn Uhr, der
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