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Kalter Süden

Kalter Süden

Titel: Kalter Süden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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reichte Annika ein Papier. Schnell beugte sich Annika vor und flüsterte ihr ins Ohr:
    »Kann ich Filip exklusiv kriegen? Annika Bengtzon, vom Abendblatt . Ich habe damals die Artikel über Yvonne Nordin geschrieben, die …«
    »Filip Andersson gibt keine Kommentare ab«, erwiderte die Frau ausdruckslos. »Nicht jetzt und für niemanden.«
    Die umstehenden Kollegen sahen sie so missbilligend an, als hätte sie versucht, sich an der Supermarktkasse vorzudrängeln.
    Gestresst warf sie einen Blick auf die Uhr.
    Wenn sie keinen Kommentar bekam, war der ganze Vormittag im Eimer. Man konnte keinen Artikel über einen Mann schreiben, der nichts zu sagen hatte.
    Sie beschloss, bis zum Schluss zu warten und zu sehen, ob er nicht doch noch einen Piep von sich geben würde.
    Einige Journalisten brachen auf. Sie stellte sich an die Seite und tat so, als bemerke sie die hinausströmenden Kollegen nicht.
    »Wenn er diesen Schadensersatz wirklich haben will, sollte er es wenigstens fertigbringen, ein paar Tränen über die verlorenen Jahre zu vergießen«, hörte sie eine Frau aus der Menge im Vorbeigehen sagen.
    Filip Andersson erhob sich von seinem Stuhl hinter dem Tisch, groß und schwer. Annika bewegte sich seitwärts und schob sich mit dem Rücken an der Wand näher an ihn heran.
    Die junge Frau, die das Informationsmaterial verteilt hatte, öffnete die hintere Tür. Sven-Göran Olin schlüpfte als Erster hinaus, und auch Filip Andersson wandte sich um und bewegte sich auf die Tür zu.
    »Filip«, rief Annika laut. »Filip Andersson!«
    Er blieb in der Türöffnung stehen und drehte sich um. Sein Blick fiel sofort auf sie. Sie verharrte an der Wand.
    Erkannte er sie wieder? Das müsste er doch eigentlich, oder? So viel Besuch hatte er im Gefängnis ja wohl nicht bekommen.
    »Was haben Sie als Nächstes vor?«, fragte sie. »Was für Pläne haben Sie?«
    Unendlich langsam hob der freigesprochene Mann seinen linken Zeigefinger und krümmte ihn ein paarmal, als ob er ihr winkte.
    Der linke Zeigefinger, er winkte und winkte.
    Eisig kalt rann ihr die Angst den Rücken hinunter.
    Mit einem Mal war sie wieder in der Gasse, in der Yxsmedsgränd in Gamla Stan, an jenem Mittwochabend, nachdem sie ihn im Gefängnis von Kumla besucht hatte. Auf dem Heimweg war sie von zwei Männern überfallen und in einen Hauseingang gezerrt worden. Der eine hatte sich über sie gebeugt, die Augen, die durch Löcher in einer Skimaske starrten, waren hell wie Glas gewesen. Der andere hielt ihr ein Messer vors Gesicht. Sie hörte heute noch seine erstickte Stimme: »Lass David in Frieden. Es reicht jetzt. Hör auf rumzuschnüffeln.«
    Sie spürte wieder dieses Gefühl, wie sie ihre linke Hand ergriffen, ihren Handschuh herunterrissen. Dann der schreckliche Schmerz, der ihr durch die Hand und den Arm und durch den Brustkorb schoss. »Nächstes Mal schlitzen wir deine Kinder auf.« Sie hatte die kalten Pflastersteine an ihrer Wange gespürt, und ihr Puls dröhnte ihr in den Ohren, als sie die großen Gestalten in der Gasse verschwinden sah.
    Sie schaute auf und begegnete Filip Anderssons Blick, trat einen Schritt zurück und versteckte die linke Hand unwillkürlich hinter dem Rücken.
    Filip Andersson sah die Bewegung und lächelte, dann drehte er sich um und verschwand aus dem Saal, auf demselben Weg, auf dem er ihn betreten hatte.
    Ihre Hand brannte, als sie zurück zum Wagen ging. Die Narbe an ihrem Zeigefinger pochte und schmerzte, wie sie es seit den kältesten Wintertagen nicht mehr getan hatte.
    Sie vergrub die Hand in der Jackentasche und zog die Schultern hoch, um sich vor dem Wind zu schützen.
    »Er schien mir nicht besonders bescheiden zu sein«, sagte Steven. »Obwohl man das wahrscheinlich auch nicht wird, wenn man über fünf Jahre unschuldig eingebuchtet war.«
    »Keiner hat gesagt, dass er unschuldig ist«, sagte Annika. »Das Gericht hat nur festgestellt, dass die Beweise nicht für eine Verurteilung ausreichten. Das ist ein verdammter Unterschied.«
    Steven verstummte wieder.
    Ich bin zu hart zu den Springern, dachte sie. Es geschieht mir recht, dass sie nicht mit mir zusammenarbeiten wollen.
    »Ich fahre noch nicht zurück in die Redaktion«, sagte sie und versuchte, ein wenig netter zu klingen. »Nimm dir doch bitte ein Taxi.«
    Steven schien es ihr nicht übelzunehmen.
    Wahrscheinlich ist er froh, dass er mich los ist, dachte sie und löste noch einen weiteren Parkschein für 260 Kronen. Sie konnte den Wagen ebenso gut hier stehen

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