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Kalter Süden

Kalter Süden

Titel: Kalter Süden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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dunkle Hose, ein weißes Hemd und wirkte frisch geduscht. Das vereinzelte Klicken der Fotoapparate verdichtete sich zu einem Maschinengewehrfeuer. Fernsehscheinwerfer flammten auf und tauchten den Raum in ein blaues Licht. Grell geschminkte Fernsehreporter machten vor ihren Kameras aufgeregte Ansagen.
    Der Freigesprochene würdigte sie keines Blickes. Er sank auf einen der drei Stühle und sah stur geradeaus, ohne zu blinzeln. Annika reckte den Hals, um besser sehen zu können.
    Er hatte abgenommen, seit sie ihn in der Besuchszelle in Kumla getroffen hatte. Sein Haar war frisch geschnitten, und er hatte sich rasiert.
    Sven-Göran Olin ließ sich auf dem Stuhl neben seinem Mandanten nieder. Als Letztes kam eine junge Frau herein, die sich auf den Platz ganz außen setzte.
    »Es ist uns eine Freude«, begann der Anwalt, »dass wir am heutigen Tag das Urteil des Obersten Gerichtshofes entgegennehmen durften, in dem Filip Andersson vom dreifachen Mord in der Sankt Paulsgatan freigesprochen wird.«
    Das Blitzlichtgewitter der Fotografen ließ nach. Die Radioreporter setzten sich.
    »Über fünf Jahre war Filip Andersson eingesperrt«, fuhr der Anwalt fort. »Wie ich bereits vor dem Amtsgericht angemerkt habe, wurde er in beiden Instanzen aufgrund äußerst schwacher Beweise verurteilt. Die Beteiligten haben es sich in diesem Fall viel zu leicht gemacht.«
    Es herrschte vollkommene Stille.
    Annika betrachtete das Gesicht des Mannes und versuchte, irgendeine Gemütsbewegung oder Gefühle auszumachen: Erleichterung, Trauer, Freude oder Bitterkeit, aber sie entdeckte nichts dergleichen. Sein Gesicht war völlig neutral, sein Blick fixierte einen Punkt ein paar Zentimeter über den Köpfen der Journalisten. Seine Schultern wirkten breiter, vielleicht hatte er ja in Erwartung des Freispruchs angefangen zu trainieren.
    »Ein solches Urteil hat zur Folge, dass das Vertrauen in unsere Rechtsstaatlichkeit gleichermaßen steigt und sinkt«, sagte Sven-Göran Olin. »Dass es möglich ist, die Wiederaufnahme eines Verfahrens zu erwirken und Dinge im Nachhinein zurechtzurücken, ist durchaus positiv. Gleichzeitig ist es höchst beunruhigend, dass derlei Justizirrtümer überhaupt passieren können.«
    Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Annika nahm ihre Kollegen in Augenschein. Alle starrten Filip Andersson an. In ihren Gesichtern stand Enttäuschung und Unsicherheit. Was sollte man hieraus für die Zeitung machen?
    Filip Andersson eignete sich schlecht für die Opferrolle. Er hatte keine süße Familie, die ihn mit selbstgemalten Kinderbildern und Torte empfing, keine schöne Frau, die seine Hand hielt und mit Tränen in den Augen dankbar in die Kameras guckte. Er sah aus wie der, der er war: ein etwas überfütterter skrupelloser Finanzmann, der zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen war. Es war unmöglich, in den Wohnzimmern des Landes besonders viel Mitgefühl für ihn zu wecken.
    »Nachdem der Justizkanzler unser Ansuchen abgelehnt hat, werden wir noch heute Klage gegen den schwedischen Staat einreichen«, sagte Sven-Göran Olin. »Filip Andersson fordert 12 Millionen Kronen Schadensersatz, davon 5 Millionen als Wiedergutmachung für das erlittene Unrecht und 7 Millionen Entschädigung für den Verdienstausfall.«
    Die Frau neben Olin erhob sich und teilte ein Informationsblatt aus, wahrscheinlich eine Kopie der neuen Klageschrift.
    Gemurmel machte sich breit.
    Die Forderung eines rekordverdächtigen Schadensersatzes stimmte die Allgemeinheit sicher auch nicht wesentlich freundlicher. Es würde schwer für Sven-Göran Olin werden, mit diesem Sieg bei den Medien zu punkten.
    »Filip Andersson! Wie fühlt es sich an, wieder auf freiem Fuß zu sein?«, rief ein Radioreporter.
    Sven-Göran Olin beugte sich wieder zum Mikrofon.
    »Mein Mandant hat darum gebeten, heute keine Fragen beantworten zu müssen«, sagte er.
    »Warum ist er dann hier?«, fragte ein Reporter wütend, gleich links von Annika.
    »Olin hat ihn dazu gezwungen«, antwortete ein anderer. »Er hat den Fall pro bono übernommen, und der Auftritt hier war seine Bezahlung.«
    Besser kann man sich seinen Arbeitsaufwand als Anwalt kaum bezahlen lassen, dachte Annika, andererseits hatte er nicht sehr viel getan. Ihre Artikel über Yvonne Nordin hatten den Stein ins Rollen gebracht, und die Generalstaatsanwältin selbst hatte die Wiederaufnahme veranlasst.
    Die Frau, die die Unterlagen verteilte, hatte sich in den hintersten Teil des Raums vorgearbeitet und

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