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Kalter Süden

Kalter Süden

Titel: Kalter Süden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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einen der Ledersessel sinken. »Können Sie mir nicht ein bisschen von ihr erzählen?«
    »Wo ist sie?«
    Annika betrachtete die Frau. Sie war groß und schmal, der Rücken mochte ein wenig gebeugt sein, doch ihre Schultern waren gerade. Ihr Haar war sorgfältig frisiert. Die großen, hellblauen Augen erinnerten an verwunderte Puppenaugen. Sie hatte Rouge aufgelegt.
    In der Wohnung in der Bondegatan lief sie herum und suchte nach David, obwohl sie Mal für Mal gesagt bekam, dass er tot war. Es hatte demnach keinen Sinn, dass Annika ihr eine Todesbotschaft überbrachte, die sie möglicherweise sofort wieder vergaß.
    »Sie ist an der Costa del Sol«, sagte Annika. Sie wusste schließlich wirklich nicht, ob die Leichen überführt worden waren, und wenn ja, wohin.
    Hannelore Lindholm machte es sich auf dem großen Sofa bequem.
    »Es gefällt ihr dort so gut«, sagte sie. »Hat sie das Maklerbüro noch?«
    »Natürlich«, sagte Annika.
    Hannelore lachte auf.
    »Die mutige Astrid«, sagte sie. »Sie traut sich doch immer die gefährlichsten Sachen.«
    Sie lächelte und nickte, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen.
    »Was traut sich Astrid denn alles?«, hakte Annika nach.
    Die Antwort kam schnell und leicht.
    »Vom höchsten Heuboden springen. Den wilden Stier reiten.«
    Hannelore musste bei der Erinnerung lachen.
    »Sie ist verrückt.«
    Das Lachen verebbte. Annika wartete, aber mehr kam nicht.
    »Wo ist Astrid vom Heuboden gesprungen?«, fragte sie.
    Der überraschte Ausdruck kehrte in Hannelore Lindholms Augen zurück.
    »Na, auf dem Gudagården natürlich! Sie ist da, wenn ich komme. Sie ist die Einzige, die nett zu mir ist.« Sie beugte sich über den antiken Beistelltisch und senkte die Stimme.
    »Astrid ist ein sehr guter Mensch«, sagte sie leise. »Sie kümmert sich immer um die Schwachen und Ängstlichen. Sie ist keineswegs ein Trollmädchen.«
    Annika blinzelte irritiert. Die Frau war ja wirklich vollkommen verwirrt. Vielleicht ging es besser, wenn sie leichtere Fragen stellte.
    »Können Sie mir ein bisschen von sich erzählen?«, bat sie.
    Hannelore hob den Blick und ließ ihn durch den engen Raum schweifen.
    »Ich wohne in einem Schloss«, sagte sie. »In einem Schloss über den Wolken. Ich tanze für alle Tiere in der großen Halle.«
    Sie hob die Arme und vollführte graziöse Bewegungen in der Luft, ließ die Hände flattern und schloss die Augen. Ihr Gesichtsausdruck hatte etwas Faszinierendes, als existierte mitten in diesem schwedischen Altenheim tatsächlich eine andere Wirklichkeit, ein anderer Raum in einer anderen Zeit. Annika sah ihr eine ganze Weile zu, bis es ihr unheimlich wurde.
    »Wo sind Ihre Eltern?«, fragte sie.
    Die Frau erstarrte in der Bewegung und öffnete die Augen wieder.
    »Ich darf nicht über Mutter und Vater sprechen«, antwortete sie.
    Sie sah ängstlich aus.
    »Warum nicht?«
    »Onkel Gunnar und Tante Helga haben es verboten.«
    Sie versteckte die Hände unter den Achseln.
    »Mir dürfen Sie es sagen«, versicherte Annika.
    Die Frau zog die Beine hoch, kauerte sich zusammen und schüttelte energisch den Kopf.
    »Er schlägt mich noch mehr, wenn ich jemals etwas über Mutter und Vater sage.«
    »Wer?«
    »Onkel Gunnar.«
    Ihre Stimme wurde monoton, und während sie sprach, starrte sie ins Leere.
    »Ich bin mit den Weißen Bussen nach Schweden gekommen, die Graf Folke Bernadotte und das schwedische Rote Kreuz den Notleidenden in ihrer Großzügigkeit zur Verfügung gestellt haben«, leierte sie herunter.
    »Aber das stimmt doch gar nicht«, sagte Annika.
    Hannelore Lindholm warf ihr einen schnellen Blick zu, sagte jedoch nichts.
    »Sie haben Sie gezwungen zu lügen, nicht wahr? Warum?«
    Hannelore zwinkerte, als würde sie gleich anfangen zu weinen.
    »Weil Vater Offizier war«, sagte sie mit dünner Stimme.
    »Offizier? Deutscher Offizier im Krieg?«
    Sie nickte.
    »Was war das für ein Schloss, in dem Sie getanzt haben? War es ein echtes Schloss?
    »Berghof«, flüsterte sie kaum hörbar.
    Annika stutzte. Sie war kein Geschichts-Fan, aber sie hatte fast alle zehn Folgen von Wir waren wie Brüder gesehen.
    »Aber so hieß doch Hitlers Haus in Bayern, oder? Das Adlernest?«
    Hannelore schlang die Arme um die Unterschenkel und vergrub ihr Gesicht zwischen den Knien. Ihr weiches, weißes Haar fiel über ihre Beine. Die Hände hielten krampfhaft die Unterarme umklammert, weiße Hände mit blauen Adern und hellrosafarbenen Nägeln.
    Hannelore Lindholm war keine Jüdin, begriff

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