Kalter Süden
öffentlichen Verkehrsmitteln ist es ganz schön umständlich. Deswegen besuche ich sie nicht so oft.«
»Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich sie besuche?«, fragte Annika.
Julia sah auf.
»Warum willst du das tun?«
Annika entschied sich, die Wahrheit zu sagen.
»Erinnerst du dich, dass ich dich mal gefragt habe, ob dir die Namen Veronica Söderström oder Veronica Paulson bekannt vorkommen?«
Julia zögerte, nickte dann aber.
»Das war die Frau von diesem Eishockey-Star.«
Julia gab Kaffeepulver in den Filter und schaltete die Kaffeemaschine ein.
»Ich habe die Vermutung, dass David sie kannte, als er noch ein Kind war. Hast du nie mit Nina darüber gesprochen?«
Julia schüttelte verwirrt den Kopf.
»Warum sollte ich mit ihr darüber gesprochen haben?«
»Nina hat mir erzählt, dass David und Filip Andersson, Yvonne Nordin und Veronica Paulson gemeinsam aufgewachsen sind.«
Der Name Yvonne ließ Julia zusammenfahren.
»Wir haben doch schon mal darüber gesprochen«, sagte Annika, »dass sie als Kinder wie Geschwister waren. Das heißt natürlich auch, dass die Eltern sich gekannt haben müssen. Jedenfalls ihre Mütter. Hast du schon mal von einer Frau namens Astrid Paulson gehört?«
»War das nicht auch eines von den Mordopfern in Spanien?«
»Ja«, sagte Annika. »Sie war die Mutter von Veronica Söderström. Sagt dir der Name etwas?«
Julia schüttelte den Kopf.
»Astrid Paulson, Ninas Mutter und deine Schwiegermutter Hannelore kannten sich.«
»Wirklich?«
»Die Mutter von Nina, Yvonne und Filip hieß Siv. Die kanntest du doch, oder nicht?«
Julia stellte zwei Becher auf den Tisch.
»Sie ist kurz nach unserer Hochzeit gestorben. Das war eine traurige Geschichte mit Siv, sie hatte ein ziemliches Alkoholproblem. Trinkst du den Kaffee schwarz?«
»Ja, bitte. Was war eigentlich mit Davids leiblichem Vater, Klas Lindholm?«
»Der hat sich scheiden lassen, bevor David ein Jahr alt war«, sagte sie und setzte sich an den Tisch. »Er ist weggezogen. Keine Ahnung, wohin, sie hatten jedenfalls keinen Kontakt mehr. Vor ein paar Jahren ist er dann gestorben. David ist nicht zur Beerdigung gegangen.«
»Weißt du, ob er eine neue Familie hatte?«
»David hat einen alten Saab und ein Sommerhäuschen in der Nähe von Kramfors geerbt, als sein Vater starb. Er war der einzige Erbe.«
»Ist er vielleicht manchmal nach Marokko gefahren?«
Julia hob die Augenbrauen.
»Ich höre andauernd Marokko. Warum interessiert dich das so?«
Annika spürte, wie ihr die Hitze ins Gesicht stieg.
»Ich habe von einer Person namens Lindholm gehört, die angeblich in Marokko lebt. Ich habe mich einfach gefragt, ob sie eine Verwandte sein könnte …«
»Wohl kaum«, sagte Julia. »Lindholm ist ein Allerweltsname. Im Aufgang nebenan wohnt noch ein Lindholm, unsere Post wird andauernd verwechselt.«
»Mama?«
Alexander stand in der Küchentür.
»Ja, mein Schatz, was ist denn?«
»Meine fliegende Untertasse ist fertig.«
Julias Miene hellte sich auf.
»Wie schön! Die muss ich mir sofort ansehen. Willst du auch schauen, Annika?«
»Wenn ich darf«, sagte sie.
Alexander nickte.
Sie gingen ins Kinderzimmer, das Wand an Wand mit Julias Schlafzimmer lag.
Die Hälfte des Bodens war mit übereinandergenagelten Brettern und Spanplatten bedeckt. Ein paar Stäbe, wahrscheinlich alte Besenstiele, zeigten an die Decke.
Julia klatschte entzückt in die Hände.
»Das ist aber toll!«, sagte sie. »Damit kann man bestimmt bis zum Mond fliegen.«
Der Junge sah sie ernst an.
»Ich muss aber noch weiter«, sagte er. »Hoch bis zu den Sternen!«
»Und was willst du dort tun?«, fragte Annika.
Erstaunt sah er sie an.
»Papa besuchen, natürlich.«
Annika holte ihren Wagen. Die Parkzeit war abgelaufen, und sie hatte einen Strafzettel über 500 Kronen bekommen. Sie stopfte das Strafmandat in ihre Tasche, rief die Auskunft an und ließ sich Adresse und Wegbeschreibung zum Pflegeheim in Nacka per MMS schicken.
Der finstere Blick des Jungen saß ihr noch immer in den Knochen.
Sie schüttelte sich und ließ den Motor an.
Langsam schlängelte sie sich Richtung Slussen und bog auf den Zubringer Stadsgårdsleden ab. Der Verkehr floss so zäh wie gefrorener Sirup. Der Regen hatte nachgelassen, aber auf der Straße stand immer noch Wasser, das ihr ständig auf die Scheiben spritzte, so dass sie trotzdem die Scheibenwischer anschalten musste.
In Marokko, auf einer Farm bei Asilah, wohnte ein sechzehnjähriges Mädchen,
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