Kalter Süden
Sie. Was machen Sie hier?«
»Ich berichte für meine Zeitung über die Familie Söderström. Ich weiß, dass Sebastian dieser Club sehr wichtig war. Darf ich reinkommen?«
Der Mann legte ein Blatt zur Seite, das er offenbar in einer der untersten Schubladen gefunden hatte. Er zögerte.
»Heute ist eigentlich geschlossen«, sagte er. »Ich weiß ehrlich gesagt auch nicht, wann ich wieder aufmachen kann. Ich weiß nicht mal, wen ich fragen soll.«
»Hatte Sebastian denn keinen Anwalt?«
Der Mann wandte den Blick ab.
»Doch«, sagte er. »Seine Frau.«
Annika nickte. Natürlich.
Dann seufzte der Mann tief, kam um den Empfangstresen herum und öffnete Carita und ihr die Terrassentür.
»Ich bin Francis«, sagte er und streckte die Hand aus. »Bitte, kommen Sie herein.«
Annika und Carita betraten das Clubhaus und stellten sich ordentlich vor. Mit einer Geste bat er sie zum Empfangstresen, auf dem mehrere Papierstapel lagen.
»Möchten Sie etwas trinken?«
Carita bat um ein Bier. Francis ging an die Bar und stellte Annika ebenfalls eins hin. Gleich mit dem ersten Schluck merkte sie, wie es ihr in den Kopf stieg. Sie stellte das Glas wieder ab.
Das ganze Gebäude bestand aus einem einzigen, bis zum Dachstuhl offenen Raum. Auf der linken Seite befand sich die Bar, davor standen kleine runde Tische und Stühle. In der Mitte war der Empfang, und auf der rechten Seite gab es noch einen Shop, in dem Trainingskleidung und Tennisschläger verkauft wurden.
»Wissen Sie, ob Sebastian einen juristischen Vertreter in Schweden hatte?«
Annika und Carita schüttelten beide den Kopf.
»Ich habe überall gesucht«, sagte Francis und zeigte auf die Papierstapel. »Ich habe keine Grundbucheintragungen für den Club gefunden, keine Schuldscheine, keine Absichtserklärung, was mit dem Club passieren sollte … Er muss das irgendwo anders aufbewahrt haben, vielleicht in der Villa …«
Die Hände des Mannes bewegten sich ziellos über den Tresen, nahmen einen Bierdeckel auf, ließen ihn wieder fallen. Annika begriff, dass er sich noch immer in einer Art Schockzustand befand.
»Und welche Funktion haben Sie hier?«, fragte sie. »Sind Sie der Geschäftsführer?«
»Ich bin Tennistrainer«, sagte Francis. »Wenn ich gerade nichts anderes zu tun habe, nehme ich auch schon mal Platzreservierungen entgegen. Sebastian ist der Geschäftsführer.«
»Wie viele Leute arbeiten hier üblicherweise?«
»Wir sind zu zehnt. Ich habe den anderen aber gesagt, sie sollen erst am Montag wiederkommen. Wissen Sie, ob ein Testament gefunden wurde? Eigentlich gehört der Club jetzt doch Suzette, oder?«
Sein Blick flackerte durch den Raum.
»Der Fitnessraum liegt eine Etage tiefer«, sagte er und deutete auf den Shop.
»Kennen Sie Suzette?«, fragte Annika.
Francis sah sie erstaunt an.
»Klar kenne ich sie. Ich trainiere sie schließlich.«
»Sie trainieren sie?«
»Sie hat keine Lust, so hart an sich zu arbeiten, dass sie richtig gut wird. Ich habe versucht, sie zu motivieren, aber sie ist so flatterhaft.«
Annika blinzelte.
»Reden wir jetzt von Tennis? Spielt Suzette Tennis?«
Francis lehnte sich über den Bartresen und sprach leise und in vertraulichem Ton.
»Suzettes Gefühlsleben steuert ihr Dasein mit ungefähr einer Minute Vorausplanung. Deshalb ist es ja so schwierig, Trainingsstunden mit ihr zu vereinbaren. Wenn sie keine Lust hat zu trainieren, hat sie eben keine Lust, und das weiß sie erst kurz vorher …«
Annika nickte.
»Ist sie … gut?«
»Ich erkenne mich selbst in ihr wieder. Sie könnte auf jeden Fall mindestens so weit kommen wie ich.«
Annika kam sich ein bisschen dumm vor.
»Und wie weit ist das?«
»Als ich neunzehn war, stand ich auf Platz 38 der Weltrangliste.«
Annika riss die Augen auf und sah sich den Mann genauer an.
Warum hatte sie nie von ihm gehört? Obwohl, von welchem Sportler auf Platz 38 der Weltrangliste hätte sie je gehört, außer vielleicht im Bandy oder Eishockey?
»Und jetzt arbeiten Sie hier?«
Francis lächelte ein trauriges Lächeln.
»Ich war müde«, erklärte er. »Es ist egal, wie gut man spielt, wenn einem das eigene Leben nicht gefällt. Als ich elf war, wurde ich auf ein Internat in den USA geschickt. Das war natürlich eine Riesenchance für mich, aber es bedeutete auch, dass ich nicht bei meiner Familie sein konnte. Das war es einfach nicht wert. Ich habe aufgehört, als ich zwanzig war.«
»Und Suzette könnte auch so weit kommen? Unter die Besten der
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