Kalter Süden
Lenita Söderström in Puerto Banús einlief.
Annika, genauer gesagt das Abendblatt , hatte eine Übereinkunft mit Suzettes Mutter getroffen: Die Zeitung würde für drei Tage ihre Hotelrechnung übernehmen, unter der Bedingung, dass sie innerhalb dieser Zeit mit keinen anderen Medien sprach.
Sie setzte sich an den Computer und öffnete die Seite abendblatt.se .
Ein Fernsehbeitrag über einen Mann mit einer vierzehn Zentimeter langen Nase dominierte die Onlineausgabe der Zeitung.
Die zweitwichtigste Nachricht des Tages war ihr Artikel über Suzette. Das gewaltsame Ende der Familie Söderström hatte in der Onlineausgabe schon seinen eigenen Namen bekommen: »Der Marbella-Mord«.
Die Redaktion in Stockholm hatte irgendwo ein altes Klassenfoto aufgetrieben. Suzette lächelte darauf unsicher in die Kamera, braune Locken umspielten ihre Wangen. In der Meldung, die Interpol herausgegeben hatte, war ihr Haar allerdings als kurz und kohlschwarz beschrieben.
Annika überflog ihren Text und fand ihn ziemlich schlecht.
Das Bild von den Suchmannschaften, die natürlich nichts gefunden hatten, war hingegen richtig gut gelungen. Das blaue Licht beleuchtete die konzentrierten Gesichter der Polizisten. Das Bild vermittelte Nacht und Panik.
Der zweite Artikel, der über das »Haus des Todes«, war bedeutend besser.
Mit Hilfe der Handyfotos und der Fakten über das Gas Fentanyl und die Erstürmung des russischen Theaters hatte sie eine einigermaßen glaubwürdige Rekonstruktion der letzten Lebensminuten der Familie zustande gebracht.
Da war die Tür, wo man sie gefunden hatte, die zwei kleinen Kinder auf der einen Seite, die Mutter auf der anderen. »Ein wichtiger psychischer Effekt von Fentanyl ist Lethargie«, hatte sie geschrieben. »Der Betroffene wird handlungsunfähig. Auch wenn er hören und sehen kann, ist er nicht in der Lage zu reagieren. Dies könnte auch eine Erklärung dafür sein, dass die Terroristen im Theater von Moskau nicht anfingen zu schießen, als der Saal gestürmt wurde.«
Die Mutter und die Kinder hatten demnach auf beiden Seiten der geschlossenen Tür gelegen, unfähig, zu rufen oder die Tür zu öffnen, und dennoch in dem vollen Bewusstsein, dass gerade etwas Schreckliches passierte.
Dann waren sie ganz einfach eingeschlafen.
Ihre letzten Sekunden waren also nicht von Angst erfüllt gewesen. Fentanyle sind stark beruhigend, sie rufen keine Halluzinationen, Unruhe oder sonstige Reaktionen hervor. Die Muskelbeherrschung lässt nach und endet schließlich ganz, so dass die Betroffenen bewusstlos werden und an Atemstillstand sterben.
Es war sehr schnell gegangen. Nach ein paar Minuten war alles vorbei.
Da waren die Bilder von den Kinderzimmern, das vom Schreibtisch, auf dem Sebastian gefunden worden war, und dann das Foto vom Bett, auf dem die Decke lag, mit der er versucht hatte, die Familie zu retten.
Schlechte Bilder, aber exklusiv.
Die Schweigeminute auf dem Green war der dritte Artikel unter dem Schlagwort »Marbella-Mord«. Das Foto von den dreieinhalb sonnenbebrillten Stars war ganz in Ordnung, darunter stand das Zitat: »Wenn alle wären wie Sebbe, sähe die Welt anders aus.«
Schnell schaute sie nach, was der Konkurrenten brachte.
Sie hatten die Familie Söderström als Aufmacher, jedoch unter dem Schlagwort »Gasmord«.
An diesem Tag war die Korrespondentin in Madrid also längst nicht so weit gekommen. Sie hatte weniger Fakten über Suzettes Verschwinden und natürlich keine Bilder aus dem Inneren des Hauses. Sie hatte allerdings schon gestern mit Francis gesprochen, typisch.
Na ja. Dann musste sie eben versuchen, Francis irgendwie in dem Artikel über Suzettes Mutter unterzubringen.
In einem Anfall von Antriebslosigkeit ging sie zum Bett und ließ sich auf den Überwurf fallen. Das Angenehmste an einem Hotelaufenthalt war, dass andere für einen putzten. Sie hätte nichts dagegen gehabt, wenn ab und zu auch noch jemand eine Kleinigkeit zu essen heraufgebracht hätte, aber dazu hatte sich andererseits ja Wachtmeister Linde erboten.
Sie musste an ihren Traum denken, wie sie an seiner Seite durch den pechschwarzen Nationalpark gegangen war, die stacheligen Dornen, der laue Wind …
Das Telefon klingelte.
Es war Niklas Linde.
»Hallo«, sagte sie. »Ich habe gerade an Sie gedacht.«
»Wir haben die Einbrecher«, antwortete er kurz. »Finden Sie allein nach La Campana?«
»Sie haben sie festgenommen?«
»Sie sind tot«, sagte er. »Waren Sie schon mal in La
Weitere Kostenlose Bücher