Kalter Tee und heiße Kuesse
schaute genauer hin. Wenn das ein Deutscher Windhund war, dann war er George Clooney. Waren Windhunde nicht durchtrainiert wie Geparde und liebten es, den ganzen Tag lang mit zweihundert Stundenkilometern durch die Gegend zu rennen? Dieses Exemplar jedenfalls machte seiner Rasse nicht die geringste Ehre. Die Zunge hing ihm schlaff aus dem Maul, und der Leib war kugelrund.
„Bonsai hat immer Hunger“, erklärte die Platinblonde, die selbst auch zu strenger Diät verurteilt werden sollte, falls man Magnus fragte. Ihre himbeerrote Jogginghose war mindestens vier Nummern zu klein, und das Oberteil saß an den Armen so eng, dass es beinahe platzte. Sie deutete auf das Riesenvieh mit dem Namen Bonsai und zuckte mit den Schultern.
„Na prima“, meinte Lena. „Dann sind Sie unsere erste Kandidatin. Wenn Ihr Bonsai eine Zeitlang Dickie-Dick gefressen und ausreichend Bewegung hat, werden Sie ihn nicht mehr wiedererkennen.“ Sie versuchte euphorisch zu klingen. Fabrizio räusperte sich.
„Na, ich weiß nicht“, sagte die Frau zweifelnd und sah auf Bonsai hinab, der mittlerweile komplett eingeschlafen war. „Eigentlich frisst Bonsai nur Selbstgekochtes. Schweinelendchen in Rahmsoße, einen leckeren Zwiebelrostbraten mit Kartoffelgratin und so.“
Lena überzeugte die Frau davon, dass es besser sei, Bonsai ab sofort keine Schweinelendchen mehr zu fressen zu geben. Die Platinblonde willigte ein, mitzumachen; möglicherweise hing das damit zusammen, dass sie für ihren Einsatz zweihundertfünfzig Euro bekam. Dann schoss Fabrizio Fotos, die Frau gab ihnen ihre Adresse und würde heute im Laufe des Tages Dickie-Dick geschickt bekommen. Die nächsten Wochen würde Lena sie täglich interviewen. Das wäre doch gelacht, wenn aus dem fetten Bonsai nicht bald ein schlanker Windhund würde. Beschwingt machte sich Lena im Park weiter auf die Suche, neben ihr lief Fabrizio. Magnus, der ein paar Schritte zurückblieb, ignorierte sie völlig.
„Nun brauchen wir noch zwei Hundehalter.“ Fabrizio schaute sich um. „Danach würde ich gern frühstücken gehen.“
„Eine gute Idee“, kam es von Magnus.
„Viel Vergnügen“, meinte Lena und ging zielstrebig auf einen Mann Anfang dreißig zu, der im Begriff war, sich von seinem Berner Sennenhund in einen Ententeich ziehen zu lassen, was eventuell an der Tatsache lag, dass der Mann ein Gipsbein hatte.
Eine Stunde später hatten sie ihre drei Kandidaten zusammen. Der Mann mit dem Gipsbein hieß Kai und war ein Stück weit erleichtert, dass sich jemand seiner und seines Hundes annahm. Der Berner Sennenhund musste mindestens sechs Kilo abspecken. Dann war da noch eine Frau Mitte zwanzig, die stolze Besitzerin eines Chihuahuas war. Zugegebenermaßen musste der Hund, der schätzungsweise hundert Gramm wog, keines davon abnehmen, weil er sich dann in Luft auflösen würde, aber auf die Schnelle war niemand anderes mehr zu finden. Fabrizio knipste wie verrückt, und Janina, die Chihuahua-Frau, himmelte Magnus ununterbrochen an, was Lena missbilligend zur Kenntnis nahm. Schließlich waren sie zum Arbeiten hier. Außerdem war Janina nicht gerade die Hellste. Jeden Satz von Magnus kommentierte sie mit den Worten „Toll“, „Echt?“, „Wahnsinn!“, auch wenn Magnus lediglich sagte, dass es recht kühl für die Jahreszeit sei. Sie ging Lena ziemlich auf die Nerven.
Nachmittags sollten die ersten Interviews geführt werden. Glücklicherweise wohnten alle Beteiligten recht nah an der Agentur, so dürfte das schnell gehen.
„Jetzt hab ich Hunger.“ Fabrizio packte seine Kameraausrüstung zusammen. „Lasst uns ins ‚Petit Café‘ gehen.“ Magnus nickte. Lena sagte nichts. Ihr Magen knurrte, nur zu gern wäre sie frühstücken gegangen, aber sie legte keinen gesteigerten Wert darauf, in Magnus’ Nähe zu sein.
„Ich gehe schon mal in die Agentur“, ließ sie deswegen kurz wissen.
Hilfesuchend sah Magnus Fabrizio an. „Ach komm“, meinte der. „Ich kenn dich. Du hast doch Hunger.“
„Ich habe schon gefrühstückt“, erklärte Lena trotzig, während sie an Croissants mit Butter und Erdbeermarmelade dachte.
„Ich würde mich sehr freuen“, schaltete Magnus sich ein. „Darf ich Sie vielleicht einladen?“
Lena wirbelte herum. „Behalten Sie Ihr Geld nur schön für sich“, giftete sie Magnus an. „Es könnte doch immerhin sein, dass ich Sie ausnutze und nur auf Ihr Vermögen scharf bin.“ Im nächsten Moment hängte sie ihre Tasche um die Schultern und ging schnell
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