Kalter Tee und heiße Kuesse
sie textet. Aber was du mir jetzt alles erzählt hast. Erkältungsbad. Rotwein. Ihr habt miteinander geschlafen. Du hast dich in sie verliebt. Und dann auch noch die Sache mit diesem Manuskript. Bist du sicher, dass sie es auch wirklich geschrieben hat?“
Magnus nickte. „Hundertprozentig. Du sagst doch selbst, wie begabt sie ist. Außerdem stand ihr Name drauf. Oh Mann!“
„Das hättest du nicht einfach tun dürfen.“ Johanna schüttelte den Kopf. „Ich bin mir sicher, dass sie das gemerkt hat, als sie ihre Sachen gepackt hat. Und das ist noch ein Minuspunkt mehr. Jetzt denkt sie, wir beide hätten ein Verhältnis, und obendrein glaubt sie, dass du mit ihrer Geschichte Geld machen willst.“
Magnus’ Gesicht hellte sich kurz auf. „Sie kann aber gar nicht wissen, dass ich es genommen habe.“
„Aber sie kann es vermuten. Sie kann es vermuten“, meinte Johanna, und damit hatte sie recht.
Lena und Fabrizio brausten in seinem Cabrio über die A 7. Sie hatten Kassel bereits hinter sich gelassen und fuhren nun weiter auf der A 5 Richtung Frankfurt. Von dort war es nicht mehr weit bis zum Rhein. In Rüdesheim wollten sie heute Abend übernachten, und Fabrizio hatte schon ein Hotelzimmer vorbestellt.
„Du musstest einfach mal raus“, sagte er und stellte das Radio lauter. Udo Jürgens sang „Ich war noch niemals in New York, ich war noch niemals auf Hawaii“, und Fabrizio pfiff mit. Er liebte Udo Jürgens. Er liebte auch solche Schlager wie „Anton aus Tirol“, eine Tatsache, die Lena nicht akzeptieren konnte. Das war ja wohl keine Musik.
„Ja, du hast sicher recht.“ Lena nickte. Wenigstens musste sie nicht mehr andauernd weinen. „Ich werde zum Rechtsanwalt gehen. Ich muss verhindern, dass die Septembersonne veröffentlich wird.“
Fabrizio schüttelte den Kopf. „Nun mach mal nicht die Pferde scheu. Ich fände es nach wie vor besser, wenn du zuerst mit Magnus reden würdest. Vielleicht lösen sich deine Bedenken alle in Luft auf, und die Erklärung ist ganz einfach.“
„Pah!“ Lena verschränkte die Arme und schaute Fabrizio trotzig an. „Was bitte gibt es denn da noch zu erklären? Ich habe schließlich mit meinen eigenen Augen gesehen, was da gesprochen wurde, und vor allen Dingen, was da passiert ist! So blöde bin ich nun auch nicht. Ich sage dir, das war alles ein abgekartetes Spiel zwischen Magnus und der Melchior. Vielleicht wollten sie ja, dass ich kündige. Und das mit dem Manuskriptklau ist noch das i-Tüpfelchen.“
„Du steigerst dich da in was rein“, sagte Fabrizio, blinkte nach rechts und fuhr auf eine Raststätte, weil er jetzt unbedingt was Süßes brauchte.
In der Zwischenzeit rief Lena Charlotte an und erzählte ihr die ganze Geschichte.
„Oh Mann“, meinte Charlotte. „Ich hab’s doch schon immer geahnt. Die Melchior kann echt nicht in Würde altern. Die braucht junge Kerle, damit sie sich selbst jung fühlen kann.“
„Ich muss sie suchen.“ Magnus ging in Johannas Büro auf und ab. Er konnte nicht sitzen, er war zu aufgeregt.
„Vielleicht solltest du erst mal in Kiel anrufen und sagen, dass dort nichts mit dem Manuskript gemacht wird“, schlug Johanna vor. „Das wäre außerdem eine gute Gelegenheit …“
„… um mit Papa zu sprechen, ja, ich weiß. Irgendwann muss ich es ja machen. Warum also nicht in diesem Zusammenhang.“ Magnus nickte, ging zum Telefon und wählte die Durchwahl der Assistentin seines Vaters.
„Verlagshaus Kemper, Sie sprechen mit Frauke Leonhard“, sagte Frauke in Kiel.
„Magnus Reichenbach, guten Morgen. Ist … ist mein Vater zu sprechen?“
Fraukes Stimme, die eben noch verbindlich und freundlich geklungen hatte, wurde plötzlich kalt und abweisend.
„Ihr Herr Vater ist nicht im Haus.“ Pause.
„Ja … äh. Es geht um mein Manuskript, äh, ich meine, um das Manuskript, das ich mit dem Kurier geschickt habe.“
„Ja.“ Pause.
„Ist alles in Ordnung?“, fragte Magnus, der sich über die aufgebrachte Stimme der Assistentin ein wenig wunderte.
„Um ganz ehrlich zu sein, Herr Reichenbach, gar nichts ist in Ordnung.“ Jetzt war Fraukes Stimme schneidend. „Ich weiß, um welches Manuskript es geht. Um die Septembersonne , nicht wahr? Das liegt hier auf meinem Tisch.“
„Ja, also, was ich sagen wollte, dieses Manuskript wurde von mir …“
Frauke unterbrach ihn. Jetzt wurde sie laut.
„Lieber Herr Reichenbach, dieses Manuskript ist ganz sicher nicht von Ihnen. Das, was Sie da getan haben, nennt man
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