Kalter Tod
das ist, worum es uns im Moment in erster Linie geht. Wir versuchen, Geschwindigkeit aufzunehmen. Und dabei möchten wir nicht aufgehalten werden.«
»Von den Dorfdeppen.«
»Sie wissen genau, was ich meine.«
»Sicher. Dann also bis um zehn, Agent Brenner.«
Bosch klappte das Handy zu und stieg aus. Als er und Ferras über den Parkplatz zum Eingang des Restaurants gingen, bombardierte ihn sein Partner mit Fragen.
»Warum haben Sie ihn wegen des Zeugen belogen, Harry? Was sollte das? Was haben Sie vor?«
Bosch hob beschwichtigend die Hände.
»Nur keine Aufregung, Ignacio. Immer schön mit der Ruhe. Gehen wir erst mal rein und trinken einen Kaffee, dann erzähle ich Ihnen, was los ist.«
Sie konnten sich aussuchen, welchen Platz sie wollten. Bosch ging zu einem Tisch in einer Ecke, von dem sie den Eingang im Auge hatten.
Die Bedienung kam schnell. Sie war ein altes Schlachtross, die ihr stahlgraues Haar zu einem strengen Knoten gebunden hatte. Die Nachtschicht in einem Denny’s in Hollywood hatte das Leben aus ihren Augen gesaugt.
»Harry, lange nicht mehr gesehen«, sagte sie.
»Hallo, Peggy. Ist ja auch schon eine Weile her, dass ich dienstlich eine Nacht durchmachen musste.«
»Na, dann willkommen zurück. Was darf ich Ihnen und Ihrem viel jüngeren Partner bringen?«
Bosch ignorierte den Seitenhieb. Er bestellte Kaffee, Toast und Eier, medium. Ferras bestellte ein Eiweißomelette und eine Latte macciato. Als die Bedienung das Gesicht verzog und ihm erklärte, beides gäbe es hier nicht, entschied er sich für Rühreier und normalen Kaffee. Sobald die Bedienung sie allein ließ, beantwortete Bosch Ferras’ Fragen.
»Wir werden ausgebootet«, sagte er. »Das ist los.«
»Sind Sie sicher? Woher wollen Sie das wissen?«
»Weil sie sich schon die Frau unseres Opfers und seinen Partner unter den Nagel gerissen haben, und ich garan-scheiß-tiere Ihnen, dass sie uns nicht mit ihnen reden lassen werden.«
»Haben sie das ausdrücklich gesagt, Harry? Haben sie Ihnen gesagt, dass wir nicht mit ihnen reden dürfen? Hier geht es um sehr viel, und ich glaube, Sie sind ein bisschen paranoid. Sie ziehen vorschnelle …«
»Tue ich das? Dann warten Sie mal ab, Partner. Passen Sie gut auf und lernen Sie was dazu.«
»Wir gehen doch nach wie vor zu der Besprechung um neun, oder nicht?«
»So heißt es. Außer dass sie jetzt um zehn ist. Und wahrscheinlich wird das Ganze nur eine Zirkusvorstellung für uns. Sie werden uns nichts sagen. Sie werden uns Honig um den Bart schmieren und uns aufs Abstellgleis schieben. ›Vielen Dank, Leute, von jetzt an übernehmen wir.‹ Aber die sollen mich kennenlernen. Das hier ist ein Mord, und niemand, nicht einmal das FBI, schiebt mich aufs Abstellgleis.«
»Sehen Sie doch nicht immer gleich so schwarz, Harry.«
»Was heißt hier schwarzsehen? Ich kenne das doch. Es ist nicht das erste Mal, dass ich so was erlebe. Natürlich könnte ich mir sagen, wozu die Aufregung? Soll doch das FBI den Fall übernehmen. Aber andererseits ist es mir doch nicht egal. Ich kann mich nicht darauf verlassen, dass sie es richtig anpacken. Sie wollen das Cäsium. Ich will diese Scheißkerle, die Stanley Kent zwei Stunden lang terrorisiert und dann haben niederknien lassen, um ihm von hinten zwei Kugeln in den Kopf zu jagen.«
»Hier geht es um die nationale Sicherheit, Harry. Das ist was anderes. Hier geht es um ein höheres Wohl. Das Wohl der Allgemeinheit, wissen Sie.«
Für Bosch hörte es sich an, als zitierte Ferras aus einem Akademie-Lehrbuch oder dem Kodex irgendeiner Geheimgesellschaft. Ihn interessierte das nicht. Er hatte seinen eigenen Kodex.
»Das Wohl der Allgemeinheit beginnt bei diesem Mann, der tot dort oben am Aussichtspunkt lag. Wenn wir ihn vergessen, können wir alles andere vergessen.«
Ferras, dem es unangenehm war, sich mit seinem Partner anzulegen, hatte den Salzstreuer genommen. Er spielte damit herum und verstreute Salz auf den Tisch.
»Niemand vergisst etwas, Harry. Es ist nur eine Frage der Prioritäten. Ich bin sicher, sie werden bei der Besprechung alle Informationen über den Mord herausrücken.«
Bosch verlor die Geduld. Er versuchte, dem Jungen etwas beizubringen, aber der Junge hörte nicht zu.
»Ich will Ihnen jetzt mal was sagen, was den Informationsaustausch mit dem FBI angeht«, sagte Bosch. »Wenn es darum geht, Informationen auszutauschen, frisst das FBI wie ein Elefant und scheißt wie eine Maus. Haben Sie es denn noch immer nicht geschnallt? Es
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