Kalter Tod
nicht mal so einen perversen Irren von Maler, der so hieß? Oder kriege ich das mit einem von diesen netten Zeitgenossen durcheinander, über die man in Overnights ständig liest.«
Bosch lächelte zurück.
»Es gibt Leute, die halten den Maler für einen großen Meister der Renaissance-Zeit.«
Lundy ließ das Ausweisetui auf Boschs Teller fallen. Bosch hatte seine Eier noch nicht aufgegessen, aber zum Glück waren die Dotter gut durch.
»Ich weiß nicht, was hier läuft, Bosch. Wo ist Jesse Mitford?«
Bosch nahm sein Ausweisetui und säuberte es mit seiner Serviette von Eierresten.
Er ließ sich Zeit. Schließlich steckte er das Etui ein und schaute zu Lundy hoch.
»Wer ist Jesse Mitford?«
Lundy beugte sich vor und legte beide Hände auf den Tisch.
»Sie wissen sehr gut, wer er ist, und wir sollen ihn mitnehmen.«
Bosch nickte, als könnte er das bestens verstehen.
»Über Mitford und alles andere können wir gern bei der Besprechung um zehn reden. Gleich nachdem ich mit Kents Partner und seiner Frau gesprochen habe.«
Lundy lächelte auf ein Art, die bar jeder Freundlichkeit war.
»Wissen Sie was, Bosch? Sie werden selbst eine Renaissance-Zeit brauchen, wenn wir hier fertig sind.«
Bosch lächelte wieder.
»Bis nachher bei der Besprechung, Agent Lundy. Aber vorerst werden wir erst mal in Ruhe zu Ende essen. Können Sie jetzt vielleicht jemand anderen belästigen?«
Bosch griff nach seinem Messer und begann, Erdbeerkonfitüre aus einem kleinem Plastikbehälter auf seine letzte Scheibe Toast zu streichen.
Lundy richtete sich auf und deutete auf Boschs Brust.
»Passen Sie lieber auf, Bosch.«
Damit drehte er sich um und ging in Richtung Tür. Er winkte den anderen zwei Agenten und deutete auf den Ausgang. Bosch sah ihnen hinterher.
»Danke für die Warnung«, sagte er.
11
Die Sonne war noch hinter dem Hügelkamm, aber die Morgendämmerung hatte den Himmel voll im Griff. Bei Tageslicht zeigte der Mulholland-Aussichtspunkt keine Spuren der Gewalt der Nacht zuvor. Selbst der Müll, der üblicherweise an einem Tatort zurückgelassen wird – Gummihandschuhe, Kaffeetassen und gelbes Absperrungs-Tape – war irgendwie aufgeräumt oder vielleicht auch weggeweht worden. Es war, als wäre Stanley Kent nicht erschossen und seine Leiche gar nicht auf dem Vorsprung mit dem Flugzeugblick auf die Stadt darunter liegen gelassen worden.
Während seiner Zeit bei der Polizei hatte Bosch in Hunderten von Mordfällen ermittelt. Trotzdem erstaunte es ihn immer wieder von Neuem, wie schnell sich die Stadt – zumindest nach außen hin – selbst heilte und zur Tagesordnung überging. Wie sie einfach so tat, als sei nichts geschehen.
Bosch trat in den weichen orangefarbenen Boden und beobachtete, wie die Erde über die Kante in das Gestrüpp darunter kullerte. Er traf eine Entscheidung und ging zum Auto zurück. Ferras sah ihm nach.
»Was haben Sie vor, Harry?«, fragte er.
»Ich sehe mir das Haus noch mal an. Wenn Sie mitkommen wollen, steigen Sie ein.«
Ferras zögerte, dann trottete er Bosch hinterher. Sie stiegen in den Crown Vic und fuhren zum Arrowhead Drive.
Bosch wusste, dass Alicia Kent beim FBI war, aber er hatte noch den Schlüsselbund aus dem Porsche ihres Mannes.
Das FBI-Auto, das sie gesehen hatten, als sie zehn Minuten davor am Haus der Kents vorbeigefahren waren, stand immer noch da. Bosch hielt in der Einfahrt, stieg aus und schritt zielstrebig auf die Eingangstür zu. Er ignorierte das am Straßenrand geparkte Auto selbst dann noch, als er den Wagenschlag aufgehen hörte. Es gelang ihm, den richtigen Schlüssel zu finden und ins Schloss zu stecken, bevor ihn von hinten eine Stimme erreichte.
»FBI. Keine Bewegung.«
Bosch legte die Hand auf den Türgriff.
»Öffnen Sie diese Tür nicht.«
Bosch drehte sich um und sah den Mann an, der auf ihn zukam. Ihm war klar, dass der Agent, der mit der Bewachung des Hauses betraut war, jemand ganz unten in der TIU-Hierarchie sein musste, jemand, der Mist gebaut hatte, oder ein Agent mit Ballast. Er wusste, dass er sich das zunutze machen konnte.
»LAPD Homicide Special«, sagte er. »Wir wollen nur noch Verschiedenes klären.«
»Nein, werden Sie nicht«, sagte der FBI-Mann. »Von jetzt an ist nur noch das FBI für den Fall zuständig.«
»Tut mir leid, Mann, aber davon weiß ich nichts«, sagte Bosch. »Wenn Sie uns also entschuldigen würden.«
Er wandte sich der Tür zu.
»Öffnen Sie diese Tür nicht«, sagte der Agent wieder. »Das ist jetzt
Weitere Kostenlose Bücher