Kalter Tod
Bosch.
Eine halbe Minute verstrich, während Bosch wartete. Aus dem Hörer kam jetzt eine Saxophonversion von What a Wonderful World. Die Textzeile mit der »dark sacred night« hatte es Bosch immer schon besonders angetan.
Endlich schaltete die Ampel auf Grün, und Bosch bog in den Sunset Boulevard. Dann kam Brenner wieder zurück.
»Harry? Entschuldigen Sie bitte. Es war Washington. Wie Sie sich sicher vorstellen können, stehen sie dort Kopf.«
Bosch beschloss, nicht mehr länger um den heißen Brei herum zu reden.
»Was gibt es bei Ihnen Neues?«
»Nicht viel. Der Heimatschutz schickt uns mehrere Hubschrauber, die einer Strahlungsspur folgen können. Sie werden oben am Aussichtspunkt anfangen und versuchen, ein für Caesium typisches Merkmal zu finden. In der Praxis sieht die Sache allerdings so aus, dass sie erst dann ein Signal auffangen können, wenn das Caesium aus der Sau rauskommt. In der Zwischenzeit organisieren wir die Statusbesprechung, um sicherzugehen, dass alle auf dem gleichen Informationsstand sind.«
»Ist das alles, was Big G zustande gebracht hat?«
»Na ja, wir sind noch dabei, uns zu formieren. Ich habe Ihnen ja gesagt, wie das ist. Die reinste Buchstabensuppe.«
»Ach ja, richtig. Sie haben was von absolutem Chaos gesagt. Darin ist das FBI richtig gut.«
»Nein, so würde ich das nicht sagen. Aber das heißt nicht, dass man aus so etwas nicht auch lernen kann. Ich glaube, nach dieser Besprechung machen wir Nägel mit Köpfen.«
Jetzt war Bosch sicher, dass sich etwas geändert hatte. Brenners verhaltene Reaktion verriet ihm, dass ihr Gespräch entweder aufgezeichnet oder von anderen mitgehört wurde.
»Die Besprechung ist erst in ein paar Stunden«, sagte Brenner. »Was haben Sie bis dahin noch vor, Harry?«
Bosch zögerte, aber nicht lang.
»Zuerst werde ich noch mal zum Haus hochfahren und mit Mrs. Kent sprechen. Ich habe noch ein paar Fragen an sie. Anschließend fahren wir zum Südturm in Cedars. Dort ist Kents Büro. Wir werden es uns mal ansehen und mit seinem Partner reden.«
Von Brenner kam keine Reaktion. Inzwischen näherte sich Bosch dem Denny’s am Sunset. Er fuhr auf den Parkplatz und parkte. Durch die Fenster konnte er sehen, dass das rund um die Uhr geöffnete Restaurant fast leer war.
»Sind Sie noch dran, Jack?«
»Äh, ja, Harry, bin ich. Ich sollte Ihnen vielleicht sagen, dass es wahrscheinlich nicht nötig ist, dass Sie noch mal zum Haus hochfahren und anschließend zu Kents Büro.«
Bosch schüttelte den Kopf. Ich wusste es, dachte er.
»Sie haben bereits alle ausgequetscht, richtig?«
»Nicht auf meine Veranlassung. Außerdem, so viel ich gehört habe, war das Büro clean, und Kents Partner haben wir gerade zur Vernehmung hier. Sicherheitshalber haben wir auch Mrs. Kent hergebracht. Auch mit ihr reden wir noch.«
»Nicht auf Ihre Veranlassung? Auf wessen Veranlassung dann, Rachels?«
»Zu diesem Thema möchte ich mich nicht weiter äußern, Harry.«
Bosch stellte den Motor ab und überlegte, wie er reagieren sollte.
»Wenn das so ist, sollten mein Partner und ich vielleicht besser in die Stadt zur TIU fahren«, sagte er schließlich. »Das sind nach wie vor Ermittlungen in einem Mordfall. Und meines Wissens führe immer noch ich sie.«
Es trat eine lange Phase des Schweigens ein, bevor Brenner antwortete.
»Sehen Sie denn nicht, Detective, dass dieser Fall inzwischen völlig andere Dimensionen angenommen hat? Sie sind zu der Statusbesprechung eingeladen. Sie und Ihr Partner. Und bei dieser Gelegenheit werden Sie über alles, was Mr. Kelber zu sagen hatte, in Kenntnis gesetzt und auch über verschiedenes anderes. Falls Mr. Kelber dann immer noch hier bei uns ist, werde ich mich außerdem dafür einsetzen, dass Sie mit ihm sprechen können. Und mit Mrs. Kent ebenfalls. Aber um erst gar keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Priorität hat bei diesem Ermittlungsverfahren nicht der Mord. Unsere Priorität ist nicht, herauszufinden, wer Stanley Kent umgebracht hat. Unsere Priorität ist, das Caesium zu finden, und was das angeht, befinden wir uns mittlerweile schon fast zehn Stunden im Rückstand.«
Bosch nickte.
»Mein Gefühl sagt mir, wenn Sie den Mörder finden, finden Sie auch das Caesium.«
»Das mag durchaus sein«, antwortete Brenner. »Aber die Erfahrung lehrt uns, dass derart brisantes Material sehr schnell den Besitzer wechselt. Es geht von Hand zu Hand. Deshalb müssen die Ermittlungen enorm schnell vonstattengehen. Und
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