Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kalter Tod

Kalter Tod

Titel: Kalter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
Vom Netzwerk:
er wieder ins Haus zurückkam und auf den Flur zusteuerte, der nach hinten führte, rief Maxwell: »Los, helfen Sie mir schon, Mann.«
    Bosch schenkte ihm keine Beachtung. Er ging den Flur hinunter und schaute im Vorübergehen ins Arbeitszimmer. Ferras durchsuchte die Schubladen des Schreibtischs und hatte Dinge, die er sich genauer ansehen wollte, auf die Schreibtischplatte gelegt.
    Im Schlafzimmer holte Bosch das E-Mail-Foto heraus und legte die Ordner aufs Bett. Er hielt das Foto hoch, um es mit dem Zimmer zu vergleichen. Dann ging er zu der verspiegelten Schranktür und öffnete sie in einem Winkel, der dem Aufnahmewinkel des Fotos entsprach. Auf dem Foto war der weiße Frottee-Bademantel zu sehen. Er lag über einem Klubsessel in der Zimmerecke. Bosch betrat den begehbaren Kleiderschrank, nahm den Bademantel und legte ihn genau so wie auf dem Foto über den Sessel.
    Dann stellte er sich an die Stelle, von der das Foto aufgenommen worden war. In der Hoffnung, irgendetwas würde ihm in die Augen springen und zu ihm sprechen, schaute er sich um. Er bemerkte den stehen gebliebenen Wecker auf dem Nachttisch und verglich ihn mit dem E-Mail-Foto. Der Wecker war auch auf dem Foto schon stehen geblieben.
    Bosch ging vor dem Nachttisch in die Hocke und schaute dahinter. Der Wecker war ausgesteckt worden. Er fasste hinter den Nachttisch und steckte ihn wieder ein. Auf dem Display begann in roten Ziffern 12:00 zu blinken. Der Wecker funktionierte. Er musste nur gestellt werden.
    Bosch wurde sofort klar, dass das etwas war, wonach er Alicia Kent fragen müsste. Er nahm an, die Männer, die ins Haus eingedrungen waren, hatten die Uhr ausgesteckt. Die Frage war nur, warum. Vielleicht hatten sie nicht gewollt, dass Alicia Kent wüsste, wie viel oder wenig Zeit vergangen war, während sie gefesselt auf dem Bett lag.
    Bosch hakte das Thema Wecker vorerst ab und ging zum Bett, wo er die Ordner öffnete und die Tatortfotos herausnahm. Er betrachtete sie aufmerksam und stellte fest, dass auf ihnen die Schranktür in einem geringfügig anderen Winkel offen stand als auf dem gemailten Foto und dass der Bademantel weg war, offensichtlich deshalb, weil Alicia Kent ihn nach ihrer Rettung angezogen hatte. Er ging zum Schrank, passte den Winkel der Tür dem auf dem Tatortfoto an und kehrte dann an die Tür zurück, um sich erneut im Zimmer umzublicken.
    Nichts, was ihn ansprang. Der Transfer blieb ihm weiterhin verborgen. Er hatte ein eigenartiges Gefühl im Bauch, so, als entginge ihm etwas. Etwas, was er direkt vor seiner Nase hatte.
    Das Gefühl zu versagen erzeugt Druck. Bosch sah auf die Uhr und stellte fest, dass die Besprechung mit den Bundesbehörden – falls tatsächlich eine stattfände – in weniger als drei Stunden beginnen würde.
    Er verließ das Schlafzimmer und ging in Richtung Küche den Flur hinunter. Er schaute in jedes Zimmer, sah in Schränke und Schubladen, fand jedoch nichts Ungewöhnliches. Im Fitnessraum öffnete er eine Schranktür, hinter der auf Bügeln modrige Schlechtwetterkleidung hing. Anscheinend waren die Kents aus einer kälteren Klimazone nach L. A. gezogen. Und wie die meisten Menschen, die von woanders in die Stadt kamen, hatten sie sich nicht von ihrer Winterkleidung trennen wollen. Niemand war sich sicher, wie viel L. A. er ertragen könnte. Es konnte nie schaden, jederzeit die Flucht ergreifen zu können.
    Er ließ den Inhalt des Schranks unangetastet und schloss die Tür. Bevor er das Zimmer verließ, fiel ihm neben den Haken, an denen die Gummimatten hingen, eine rechteckige Wandverfärbung auf. Klebebandspuren deuteten darauf hin, dass dort ein Poster oder ein großer Kalender an der Wand befestigt gewesen war.
    Als Bosch ins Wohnzimmer zurückkehrte, lag Maxwell immer noch mit rotem Kopf und vor Anstrengung schwitzend auf dem Boden. Inzwischen hatte er ein Bein durch die Schlinge gebracht, die seine gefesselten Handgelenke bildeten. Aber mit dem anderen gelang ihm dies offensichtlich nicht, weshalb er die Hände nicht nach vorne bekam. Wie er mit seinen aneinander geketteten Handgelenken zwischen den Beinen auf dem Boden lag, erinnerte er Bosch an einen Fünfjährigen, der sich krampfhaft den Unterleib hielt, um nicht in die Hose zu machen.
    »Wir sind fast fertig, Agent Maxwell«, sagte Bosch.
    Maxwell antwortete nicht.
    Bosch ging in die Küche und durch den Hintereingang auf die Terrasse hinaus. Bei Tageslicht zeigte sich, dass sich der Garten hinter dem Haus einen Hügel hinaufzog, und

Weitere Kostenlose Bücher