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Kalter Tod

Kalter Tod

Titel: Kalter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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nehmen, teilte er den Vorhang und betrat das Behandlungsabteil.
    Der Patient, ein zierlicher dunkelhaariger Mann mit brauner Haut, lag unter einem Gewirr aus Kabeln und Schläuchen, die von den medizinischen Geräten am Kopfende des Betts zu seinen Armen und Beinen sowie zu Brust, Mund und Nase führten. Über seinem Bett war ein durchsichtiges Plastikzelt angebracht. Der Mann, der ganz allein in dem mit Vorhängen abgetrennten Abteil war, nahm kaum die Hälfte des Krankenhausbetts ein und wirkte irgendwie wie das Opfer eines Angriffs der Apparate um ihn herum.
    Seine Augen waren halb geschlossen und reglos. Der größte Teil seines Körpers war unbedeckt. Über seinem Geschlechtsteil war mit Heftpflaster eine Art Feigenblatt-Handtuch befestigt, aber seine Beine und sein Oberkörper lagen offen da.
    Die rechte Seite seines Bauchs und seine rechte Hüfte waren von blütenartigen Verbrennungen überzogen. Auf seiner rechten Hand waren die gleichen Verbrennungsspuren – schmerzhaft aussehende rote Ringe, die violett nässende Eruptionen in der Haut umgaben. Auf die Verbrennungen war ein durchsichtiges Gel aufgetragen worden, aber es sah nicht so aus, als würde es helfen.
    »Wo sind alle?«, fragte Bosch.
    »Harry, nicht so nahe ran«, warnte Walling. »Er ist nicht bei Bewusstsein. Lass uns also erst mal wieder rausgehen und mit dem Arzt reden, bevor wir weitere Schritte unternehmen.«
    Bosch deutete auf die Verbrennungen des Patienten.
    »Könnten die von dem Caesium kommen? Geht das so schnell?«
    »Bei direktem Kontakt mit einer hoch konzentrierten Dosis schon, ja. Es hängt davon ab, wie lang er der Strahlung ausgesetzt war. Es sieht so aus, als hätte er das Zeug in seiner Hosentasche gehabt.«
    »Sieht er wie Moby oder El-Fayed aus?«
    »Nein, er sieht nicht wie einer von den beiden aus. Komm.«
    Sie zog sich durch den Vorhang zurück, und Bosch folgte ihr. Sie trug dem Wachmann auf, den Arzt zu holen, der den Mann behandelte. Sie klappte ihr Handy auf und drückte auf eine Taste. Ihr Anruf wurde rasch entgegengenommen.
    »Wir haben es eindeutig mit einer Verstrahlung zu tun«, sagte sie ins Telefon. »Auf jeden Fall. Wir müssen hier eine Befehlsstelle einrichten und ein Eindämmungsprotokoll rauslassen.«
    Sie hörte kurz zu und beantwortete dann eine Frage.
    »Nein, keiner von beiden. Ich habe noch keine Identifizierung. Ich gebe sie durch, sobald ich eine kriege.«
    Sie beendete das Gespräch und sah Bosch an.
    »Das Strahlungsteam wird spätestens in zehn Minuten eintreffen. Ich organisiere inzwischen die Befehlsstelle.«
    Eine Frau in einem blauen Krankenhauskittel und mit einem Klemmbrett in der Hand kam auf sie zu.
    »Ich bin Dr. Garner. Sie müssen sich von dem Patienten fernhalten, solange wir nicht wissen, was mit ihm passiert ist.«
    Walling und Bosch zeigten der Ärztin ihre Ausweise.
    »Was können Sie uns denn schon sagen?«, fragte Walling.
    »Noch nicht viel. Er befindet sich im Prodromalstadium – er zeigt die ersten Symptome einer Verstrahlung. Das Problem ist, wir wissen nicht, welcher Strahlung er ausgesetzt war und wie lang. Deshalb haben wir keinen Gray-Wert, und ohne einen solchen wissen wir nicht genau, wie wir ihn behandeln sollen. Wir müssen also improvisieren.«
    »Was hat er für Symptome?«, fragte Walling.
    »Die Verbrennungen sehen sie ja. Die sind allerdings das geringste Problem. Die schwersten Schädigungen sind innerlich. Sein Immunsystem beginnt zu versagen, und er hat fast seine ganze Magenschleimhaut aspiriert. Sein Magen-Darm-Trakt ist völlig hinüber. Wir konnten seinen Zustand stabilisieren, aber große Hoffnungen habe ich nicht. Die Belastung, der sein Körper ausgesetzt ist, hatte bereits einen Herzstillstand zur Folge. Es ist keine fünfzehn Minuten her, dass das blaue Team hier war.«
    »Wie viel Zeit vergeht zwischen der Verstrahlung und dem Beginn dieses Produro-Stadiums oder wie das heißt?«, fragte Bosch.
    »Prodromal. Dazu kann es schon eine Stunde nach dem ersten Kontakt kommen.«
    Bosch sah den Mann an, der unter dem Plastikzelt lag. Er musste an die Redewendung denken, die Captain Hadley verwendet hatte, als Samir sterbend auf dem Boden seines Gebetsraums gelegen hatte. Er geht den Abfluss hinunter.
    Er wusste, der Mann auf dem Krankenhausbett ging ebenfalls den Abfluss hinunter.
    »Können Sie uns irgendetwas darüber sagen, wer er ist und wo er gefunden wurde?«, fragte Bosch die Ärztin.
    »Wo er gefunden wurde, müssen Sie die Rettungssanitäter

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