Kalter Trost: Island-Krimi (German Edition)
runterkommen. Der Bursche, den du den ganzen Tag gesucht hast, ist gerade zur Tür hereinspaziert.«
6. KAPITEL
Dienstag, der Sechzehnte
Gunna gab den Namen Bjartmar Arnarson in den Polizeicomputer ein und wartete auf das Suchergebnis. Sie trommelte mit den Fingern auf den Schreibtisch, als nur sein Geburtsdatum und Vermerke über einige Strafzettel wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen und Falschparkens auf dem Bildschirm erschienen.
Frustriert öffnete sie eine Suchmaschine im Internet und gab den Namen erneut ein. Eine Sekunde später erschien eine lange Liste, und sie machte sich daran, die Berichte aus Zeitungen, von Webseiten und aus Klatschmagazinen zu überfliegen. Zehn Minuten später wusste sie, dass Bjartmar Arnarson einer von Reykjavíks unauffälligsten Millionären war. Er hatte sein Vermögen mit Immobilienspekulationen erworben. Offensichtlich hatte er keine exklusiven Hobbys, abgesehen von einer Vorliebe für teure Autos, die nicht zum Protzigen neigten. Gelegentlich ging er zum Lachsangeln, und er hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, auf Linienflügen in der Economyklasse zu reisen.
»Helgi?«, rief Gunna und drehte sich mit ihrem Stuhl um.
»Ja?«
»Was weißt du über Bjartmar?«
»Wahrscheinlich etwa so viel wie du.«
»Also nicht besonders viel?«
»Nee.«
»Gibt’s was Neues von Ómar Magnússon?«
»Dieser Mistkerl«, brummte Helgi. »Ich glaube, er ist dabei, offene Rechnungen zu begleichen. Er wurde einige Male gesehen, unter anderem von einem Polizisten außer Dienst, der ihn letztes Wochenende an einem Kiosk in Selfoss gesehen hat. Und eine Frau ist sich sicher, ihn an der Imbissbude einer Tankstelle in Borgarnes erkannt zu haben, und zwar an dem Tag, an dem er abgehauen ist.«
»Ist kein Hinweis dabei, der uns helfen würde, ihn aufzustöbern?«
»Gute Frage! Ich werde mal mit dem doofen Diddi reden, sobald Sævaldur mit ihm fertig ist.«
Gunna runzelte die Stirn, als Helgi Sævaldur Bogason erwähnte, der vor Kurzem befördert worden war. Er war tüchtig, aber bisweilen grob und wenig feinfühlig, und sie waren noch nie gut miteinander ausgekommen. »Kümmert er sich um diesen lächerlichen Banküberfall von gestern?«
»Ja. Der Fall ist so gut wie abgeschlossen. Diddi gibt den Überfall zu. Die drei Kassiererinnen und der Mann, den er am Arm verletzt hat, haben ihn identifiziert. Aber das Messer ist verschwunden, ebenso wie das Geld, und wir wissen nicht, wie er geflüchtet ist, nachdem er die Bank verlassen hatte.«
»Also weiß Sævaldur mal wieder alles, abgesehen von den Details, die er nicht kennt?« Die Ironie in ihrer Stimme war nicht zu überhören.
Helgi zuckte mit den Schultern. »So sieht es aus. Aber Diddi ist vor Kurzem in der Notaufnahme aufgetaucht und hat gebrabbelt, dass es nicht Ommi war, der ihn verprügelt hat. Daraus schließe ich, dass es Ommi gewesen sein muss. Vielleicht weiß Diddi nicht, wo sich dieser isländische Jesse James versteckt hält, aber es ist ziemlich wahrscheinlich, dass Ommi das Geld hat.«
»Klingt logisch«, meinte Gunna.
»Die Frau, die ihn am Tag seiner Flucht in Borgarnes gesehen hat, hat angegeben, dass er in Begleitung einer jungen Frau war. Die Beschreibung passt auf Ommis Freundin Selma. Außerdem habe ich herausgefunden, dass Selmas Mutter einen schicken 5er BMW fährt. Der Wagen ist erst bei Fiskilækur in Fahrtrichtung Norden in eine Radarfalle geraten und am Nachmittag desselben Tages noch einmal im Hvalfjördur-Tunnel in Richtung Reykjavík. Also bekommt Selmas Mum an ein und demselben Tag zwei Strafzettel wegen Geschwindigkeitsüberschreitung. Die Zeit passt perfekt.«
»Dann muss Selma wohl ein paar Fragen beantworten, nicht wahr?«
»So sieht es aus.«
»Und wann wirst du dich um sie kümmern?«
»Sobald ich die Kleine finde. Sie arbeitet schon seit Monaten nicht mehr, angeblich ist sie krank. Sie ist auch nicht zu Hause bei ihrer Mutter, und die behauptet, keine Ahnung zu haben, wo ihre Tochter sich aufhält.«
Gunna stand auf und sah aus dem Fenster des Zweipersonenbüros, in dem jetzt drei Schreibtische standen.
»Ich bin mal kurz draußen, Helgi. Wenn Johnny Depp auftaucht, sag ihm, er soll sich schon mal ausziehen und auf mich warten, ja?«
***
Die Büros des Dezernats für Wirtschaftskriminalität waren größer als die des Dezernats für Gewaltverbrechen. Außerdem befanden sie sich nicht in dem alten Polizeipräsidium in der Hverfisgata, sondern in einem Gebäude direkt um die Ecke auf dem
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