Kalter Trost: Island-Krimi (German Edition)

Raudarárstigur. Die Beamten der Abteilung Wirtschaftskriminalität sahen alle jung und frisch aus, auch wenn der junge Mann, der auf Gunna zukam, dunkle Ränder unter den Augen hatte. Sie streckte die Hand aus.
    »Gunnhildur vom Dezernat für Gewaltverbrechen.«
    »Hallo, wir wissen, wer du bist. Ich bin Björgvin.«
    »Habt ihr viel zu tun?«, fragte Gunna.
    »Und wie. Wenn wir ein Dutzend zusätzliche Leute hätten, wäre immer noch mehr als genug Arbeit für alle da.«
    »Ich verstehe. Ich werde mich kurzfassen. Es geht um Bjartmar Arnarson. Kannst du mir was über ihn erzählen? Ich muss herausfinden, wer ein Interesse daran haben könnte, seine Frau zu töten, und warum.«
    »Sprichst du von dem Brand in Setberg?«
    »Richtig. Abgesehen von ein paar Strafzetteln wegen Falschparkens scheint er blitzsauber zu sein.«
    Björgvin schnitt eine Grimasse. »Er ist ein gerissener Hund, das muss man ihm lassen. Er steckt bis über beide Ohren in allen möglichen schmutzigen Geschäften, aber er kriegt es immer wieder hin, sich nicht in die Karten gucken zu lassen. Wir haben nie genügend Beweismaterial zusammentragen können, um ihn vor Gericht zu bringen.«
    »Ich verstehe. Was weißt du über seine Vorgeschichte?«
    »Er ist weder Anwalt noch Banker, das ist ungewöhnlich für die Fälle, die wir hier untersuchen. Er war offensichtlich einige Jahre als Drogendealer tätig, und die Drogenfahndung hat sich gelegentlich für ihn interessiert, aber es gab nichts Konkretes. Ende der Neunziger war er Miteigentümer an einem Club namens Blacklights .«
    »Daran erinnere ich mich noch gut«, bemerkte Gunna.
    »Bjartmar ging es finanziell nicht schlecht, aber so richtig interessant wurde es, als sein Dad starb. Er erbte ein Boot auf den Westmann-Inseln mit einer Fangquote für Kabeljau von mehreren hundert Tonnen. Er hat sofort alles verkauft und war quasi über Nacht ein gemachter Mann. Erinnerst du dich an die Zeit, als die Banken privatisiert wurden?«
    »Um die Jahrtausendwende?«
    »Genau. Damals hat sich auf einen Schlag alles verändert. Die Banken verliehen Unsummen an Hausbesitzer. Bjartmar war klar, was passierte, also steckte er sein ganzes Fischgeld in Immobilien und kaufte Land und Häuser in der ganzen Stadt auf. Innerhalb eines Jahres gingen die Immobilienpreise durch die Decke. Er kaufte und verkaufte Dutzende von Gebäuden und machte ein Riesengeschäft. Das war der Zeitpunkt, als er anständig wurde.«
    »Und auf Anzüge umstieg?«
    »Genau. Gleichzeitig hat er sich eine Vorzeigefrau geangelt und noch mehr Geld verdient, indem er eine Immobilienvermittlung gründete. Du kennst die Firma bestimmt, sie heißt Landex. Sie haben damals überall Werbung gemacht. Das Geschäft muss im Zuge der allgemeinen Krise eingebrochen sein, aber er hat bestimmt irgendwo einiges auf der hohen Kante liegen. Wir wissen, dass er beträchtliche Summen im Ausland angelegt hat, denn Landex hat auch im Mittelmeerraum Fuß gefasst. Die spanische Agentur heißt Sandex. Liegt direkt am Strand.« Björgvin zerdrückte seinen Pappbecher und warf ihn in einen Mülleimer neben dem Wasserspender.
    »Wie anständig ist Bjartmar denn nun wirklich? Sind seine Geschäfte inzwischen alle legal?«
    »Das ist schwer zu sagen. Ich bezweifle es. Aber er ist nicht in zweifelhafte Geschäfte mit Banken oder Finanzinstituten involviert und steht daher auf unserer Prioritätenliste nicht besonders weit oben. Er kann darauf vertrauen, für einige Jahre Ruhe vor dem Dezernat für Wirtschaftskriminalität zu haben, falls er nicht in Geldwäschegeschäfte verwickelt ist. In dem Fall bekäme er es natürlich mit uns zu tun. Aber dafür ist er zu gerissen.«
    »Danke, dass du dir Zeit genommen hast«, sagte Gunna lächelnd. »Ich kann mir jetzt ein besseres Bild von dem Mann machen.«
    »Gern geschehen. Glaubst du, er könnte in irgendeiner Form mit diesem Brand zu tun haben? Er ist nicht immer mit Aktentasche herumgelaufen. Es gibt Leute, die behaupten, dass er vor Jahren auch schon mal Gelder mittels Gewaltandrohungen eingetrieben hat. Natürlich war nie jemand bereit, mit dem Finger auf ihn zu zeigen und Anzeige zu erstatten.«
    »Ich habe momentan keine entsprechenden Anhaltspunkte, aber es würde mich nicht überraschen.«
    Björgvin nickte. »Ich wäre dir dankbar, wenn du mich auf dem Laufenden halten würdest. Bjartmar ist ziemlich skrupellos. In der Vergangenheit hat er einige Geschäftspartner hängen lassen. Es ist erstaunlich, wenn man bedenkt,