Kalter Trost: Island-Krimi (German Edition)
dass er kein Finanzgenie, sondern nur ein kleiner Drogendealer ist, der Glück gehabt hat«, fügte er mit einem feinen Lächeln hinzu. »Im Gegensatz zu den richtigen Finanzgenies, die inzwischen fast alle pleite sind.«
***
Helgi hatte einen Radiosender mit klassischer Musik eingestellt. Als junger Mann hatte er Prog-Rock bevorzugt, aber seit er immer mehr Haare verlor, fühlte er sich mehr zu der altmodischen Musik hingezogen, die sein Vater im Kuhstall gehört hatte. Er hatte immer behauptet, dass durch die Musik der Milchertrag gesteigert würde. Helgi hatte sogar mit dem Gedanken gespielt, sein altes Akkordeon wieder hervorzuholen, aber er hatte es sich anders überlegt, nachdem er Hallas Gesichtsausdruck gesehen hatte. Obwohl sie sich gut verstanden, bereitete der große Altersunterschied ihm bisweilen Unbehagen.
Wenn Halla vierzig ist, werde ich schon über fünfzig sein, grübelte er. Er saß in der Dunkelheit im Auto und überwachte das Haus von Eygló Grímsdóttir. Sie war die Mutter von Selma, der Freundin von Ómar Magnússon. In der Einfahrt stand der gepflegte BMW. Die Gegend gehörte zu den besseren Wohngebieten in den Vororten von Reykjavík und bestand aus einigen ruhigen Häuserzeilen mit ziemlich neuen Häusern. Links und rechts davon standen unbewohnte Neubauten, die wahrscheinlich auch leer bleiben würden, nachdem der Immobilienmarkt eingebrochen war. Halla hatte Helgi sogar überredet, eines dieser brandneuen Reihenhäuser zu besichtigen. Sowohl die Wohngegend als auch der Preis hatten ihnen gefallen. Sie besaßen eine Eigentumswohnung in einem heruntergekommenen Wohnblock aus den Siebzigern. Aber nachdem die Chance, die Wohnung verkaufen zu können, etwa so groß war, wie im Lotto zu gewinnen, blieb ihnen nichts anderes übrig, als zu bleiben, wo sie waren.
Helgi dachte, dass sein Skoda seine liebe Mühe haben würde, dranzubleiben, falls Eygló eine Runde mit ihrem BMW drehen wollte. Die Uhr im Armaturenbrett hatte schon vor Monaten den Geist aufgegeben, deshalb betätigte er eine Taste seines Handys, um das Display zu beleuchten. Es war schon später als vermutet.
Noch zehn Minuten, dann fahre ich nach Hause, dachte er. Er blickte durch das breite Fenster in das erleuchtete Wohnzimmer. Helgi war immer schon ein geduldiger Mensch gewesen. Schon als Teenager hatte er sich in Geduld geübt, als er in der Heide mit seiner Schrotflinte gewartet hatte, dass Gänse in Schussweite vorbeizogen.
Im Wohnzimmer hielten sich mindestens drei Personen auf: Eygló, Selma und eine dritte Person, der Silhouette nach ein Mann. Helgi stellte das Radio leise, öffnete das Fenster und lauschte der Musik, die vom Haus her zu hören war. Plötzlich hatte er eine Idee und nahm sein Funkgerät zur Hand.
»Kontrolle, null-zwei-sechzig. Hält sich vielleicht zufällig ein Streifenwagen in der Nähe der Vesturmóar Straße auf, der gerade nichts zu tun hat?«
»Null-zwei-sechzig, null-eins-einundfünfzig. Wir sind ganz in der Nähe. Hast du etwas Spannendes für uns?«
»Nur eine Kleinigkeit. Treffen wir uns an der Bushaltestelle oben an der Vesturmóar Straße. Ich fahre einen grünen Skoda.«
»Wir kennen deine alte Klapperkiste, Helgi. Bis gleich.«
Kurz darauf hielt der Streifenwagen hinter ihm. Helgi stieg aus, um mit den beiden Polizisten zu sprechen, einem korpulenten jüngeren Mann und einer Frau, die erst seit Kurzem dazugehörte. Schnell erläuterte er ihnen, was sie tun sollten, und machte sich zu Fuß auf den Weg zu der Häuserreihe, deren Rückseite an die Vesturmóar Straße angrenzte. Er fluchte über den Schlamm neben der Straße, die noch nicht ganz fertiggestellt war. Als er die Rückseite des Hauses von Eygló Grímsdóttir gut einsehen konnte, sprach er wieder in sein Funkgerät.
»Null-eins-einundfünfzig, null-zwei-sechzig. Ich bin in Position.«
»Okay«, kam die Antwort.
Helgi wartete und beobachtete das Haus. Er sah, dass in der Küche Licht brannte und überlegte, wo sich die Hintertür befinden musste.
»Null-zwei-sechzig, null-eins-einundfünfzig. Silla klingelt jetzt an der Haustür.«
»Verstanden.«
»Die Tür wird geöffnet.«
Im selben Moment ging auch die Hintertür auf, eine Gestalt verließ das Haus und verschwand in der Dunkelheit.
»Null-eins-einundfünfzig, null-zwei-sechzig. Alles läuft bestens. Bleibt noch für etwa zehn Minuten in der Nähe, nur für alle Fälle, dann könnt ihr aufbrechen.«
Helgi joggte die Straße entlang und behielt die dunkle Gestalt
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