Kalter Trost: Island-Krimi (German Edition)
nicht, dass er abhauen will«, jammerte Selma. »Erst als er gesagt hat, ich soll losfahren. Man muss tun, was Ommi sagt. Er ist süß, aber er kann manchmal auch richtig sauer werden.«
»Wann zum Beispiel?«
»Wenn jemand nicht seiner Meinung ist oder ihn nicht respektiert.«
»Wie diese Person?« Gunna streckte ihr ein Foto von Diddi hin, und Selma betrachtete es genau.
»Ich weiß nicht«, erwiderte sie unschuldig. »Wer ist das?«
»Kristbjörn Hrafnsson, auch bekannt als der doofe Diddi. Er ist ein netter Bursche, aber er ist geistig zurückgeblieben und lebt seit Jahren in einem Heim. So, jetzt möchte ich die Wahrheit hören, Selma. Hast du diesen Mann schon einmal gesehen?«, fragte Gunna.
»Ja.«
»Wann und wo?«
»Letzte Woche in der Stadt. Zusammen mit Ommi und Addi. Der Typ war in der Stadt, und Ommi hat ihm angeboten, ihn mitzunehmen. Wir haben eine kleine Spritztour gemacht.«
»Wer ist gefahren? Du?«
»Ja.«
»Mit dem Auto deiner Mutter?«
»Nein! Mit Ommis Auto. Er hat es letzte Woche gekauft, ein rotes.«
»Er hat es gekauft? Von wem?«
»Ich weiß nicht. Von so einem Typen.«
»Von einem Typen, der es gestohlen hat«, sagte Gunna.
»Oh.«
»Als Diddi im Wagen war, worüber haben sie da geredet?«
»Geld und so. Ich habe nicht richtig zugehört.«
»Und was für einen Eindruck hattest du von Diddi? Wie wirkte er? Hatte er Angst?«
»Äh, vielleicht. Ein bisschen«, sagte Selma, nachdem sie kurz nachgedacht hatte.
»Komm schon, Selma. Spiel keine Spielchen mit mir. Ich glaube, Ommi und sein Freund haben Diddi gedroht und ihn gezwungen, mit einem Messer eine Bank zu überfallen. Solange man mich nicht vom Gegenteil überzeugt, muss ich davon ausgehen, dass du eine Mittäterin bist.«
»Bitte, Sergeant«, warf der Anwalt neben Selma ein, ohne von seinen Notizen aufzusehen.
»Was ist eine Mittäterin?«, fragte Selma.
»Es heißt, dass du an einem mutmaßlichen Verbrechen beteiligt warst«, erläuterte der Anwalt trocken.
»Aber das stimmt nicht! Sie waren es!«, rief Selma.
»Oh. Jetzt kommen wir endlich weiter. Willst du damit sagen, dass Ommi und Addi Diddi gezwungen haben, eine Straftat zu begehen?«
»Ja«, antwortete Selma.
»Was haben sie zu ihm gesagt?«
»Sie haben gesagt, er schulde ihnen noch Geld aus der Zeit, bevor Ommi im Knast saß. Diddi antwortete, dass er kein Geld habe, und Ommi meinte, er könne ihm helfen, welches zu besorgen. Er müsse nichts weiter tun, als in die Bank zu gehen und es zu holen. Sieh mal, ich habe sie doch bloß in der Gegend herumgefahren, okay?«
»Wer von den beiden hat Diddi an dem Tag im Auto mitgenommen?«
»Wann?«
»Stell dich nicht dumm, Selma. Wer hat Diddi zur Bank gefahren, in der Nachbarstraße geparkt und ihn danach weggebracht?«
»Ich weiß es nicht. Ich jedenfalls nicht.«
»Selma, warum ist Ommi aus Kvíabryggja abgehauen?«
Selma zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung.«
»Es muss einen guten Grund dafür geben. Er hatte nur noch ein knappes Jahr vor sich, dann wäre er auf Bewährung rausgekommen. Warum sollte er das aufs Spiel gesetzt haben? Hat es etwas mit diesem Addi zu tun? Hatten sie ein Geschäft laufen?«
»Weiß nicht«, sagte Selma leise und verstockt.
»Komm schon, Selma. Ich weiß, dass du nicht so dumm bist, wie du tust. Ommi wird wieder für lange Zeit hinter Gittern landen, und wenn du nicht aufpasst, ergeht es dir genauso. Warum war Addi bei euch? Warum ist Ommi getürmt? Hat es etwas mit Addis Geschäften zu tun, oder war es etwas anderes?«
»Keine Ahnung«, wiederholte Selma. »Ich hätte gerne eine Zigarette. Ich bin schon stundenlang hier.«
»Tut mir leid«, entgegnete Gunna. »Wir befinden uns in einem Regierungsgebäude, da darf nicht geraucht werden.«
***
Es war schon nach sechs, als Gunna, Eiríkur und Helgi sich zusammensetzten, um ihre Notizen zu vergleichen. Sie waren alle müde, nachdem sie den ganzen Tag mit Ommi, Selma und dem wortkargen Pillen-Addi in den Vernehmungsräumen verbracht hatten. Addi war mit einem eingegipsten Handgelenk zurückgebracht worden. Er hatte nichts weiter getan, als sich bitter über die schlechte Behandlung durch die Polizei zu beklagen, sonst sagte er nichts. Gunnas Uniformbluse klebte ihr am Rücken, und sie sehnte sich nach einer Dusche.
»Ich verschwinde in …«, sie sah auf ihre Uhr, »in fünf Minuten, keine Sekunde später. Was haben wir herausgefunden?«
Helgi gähnte, und sein Handy dudelte, als er es einschaltete. »Das
Weitere Kostenlose Bücher