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Kalter Weihrauch - Roman

Kalter Weihrauch - Roman

Titel: Kalter Weihrauch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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heftig den Kopf. So ein Jammerlappen war er nun wirklich nicht, dass er den Chef ans Lenkrad gelassen hätte. Sie fuhren durch die Allee und hinauf auf die Bundesstraße, das Gedränge hatte zum Glück schon ein wenig nachgelassen. Dann wurde es wieder dunkel, Wald säumte die Straße zu beiden Seiten. Leo schwieg und wartete auf Anweisungen.
    »Irgendwo da vorn muss es nach rechts gehen«, sagte der Chef endlich. Noch ein Kilometer und dann bog eine schmale Straße den Berg hinauf. Die Fahrbahn war nicht vom Schnee geräumt, sie holperten und rutschten dahin, Leo fluchte lautlos. Wenn sie jetzt steckenblieben, dann war das Schlamassel perfekt. Der Skoda quälte sich die Serpentinen hoch, fast wären sie an dem großen dunklen Anwesen vorbeigefahren. Im letzten Moment entdeckte Pestallozzi Lichtschein hinter einem Fenster. Leo trat auf die Bremse, der Skoda drehte sich beinahe um seine eigene Achse. Dann kam er endlich dicht an einem Graben zum Stehen.
    »Passt schon«, sagte Pestallozzi. »Da kommt heute sicher niemand mehr vorbei.«
    Sie stiegen aus, die Dunkelheit war wie ein klammer Mantel, der sich um sie legte. Der Mond war hinter Wolken verschwunden. Sie stemmten sich mit gebeugten Rücken gegen die Kälte, Pestallozzi hielt auf die düstere Front zu. Endlich konnten sie ein hölzernes Tor erkennen, das keinen Griff aufwies, nur ein eiserner Ring hing an seinem rechten Flügel. Gruselig. Leo sah den Chef an, und der nickte. Er ergriff den eisernen Ring und ließ ihn gegen das Tor poltern, es klang, als ob dahinter bloß Leere wäre. Dann standen sie im Schnee und – nichts geschah. Scheiße, dachte Leo. Warum konnten sie an diesem verdammten See nie zu einem normalen Tatort gerufen werden? Wo er sich auf sicherem Boden fühlte? Zu einem Fitnessstudio, zum Beispiel. Oder in eine Disco, noch besser. Eine Disco, jawohl. Dort würde er heute Nacht noch hingehen, und wenn es vier Uhr in der Früh werden würde. Ins ›Take five‹, dort hatte er sich schon viel zu lang nicht mehr blicken lassen. Wummernde Bässe und ein ordentlicher Gin Tonic an der Bar, das hatte er sich 100-prozentig verdient nach diesem Irrwitz. Nach diesem …
    Der Chef griff nach dem Ring und ließ ihn neuerlich fallen, das Dröhnen hätte Tote zum Leben erwecken können. Nur diese Schwestern schienen mit Stöpseln in den Ohren zu schlafen. Oder gerade auf Knien zu rutschen. Oder was immer man so trieb hinter solchen Mauern. Er legte jedenfalls keinerlei Wert darauf, Näheres darüber zu erfahren. Sie lauschten beide, endlich schienen Schritte näherzukommen. Dann waren die Schritte ganz nah, ein rostiges Schieben ertönte, und ein Fenster öffnete sich in dem hölzernen Portal, Leo hätte beinahe laut gelacht. Sie konnten das Gesicht hinter dem Fenster nicht erkennen, nur das Funkeln von Brillengläsern.
    »Ja bitte?«, fragte eine Frau, ganz eindeutig war es die Stimme einer älteren Frau.
    »Grüß Gott, Schwester«, sagte Pestallozzi. »Ich weiß, dass wir Sie zu einer sehr ungewöhnlichen Stunde stören. Ich bin Chefinspektor Artur Pestallozzi aus Salzburg, und das ist mein Kollege Leo Attwenger. Leider hat es unten am See einen Todesfall gegeben, und es könnte sein, dass er mit Ihrem Haus zu tun hat. Wir müssen mit der Frau Oberin sprechen.«
    Die Frau blieb still. Vielleicht betet sie ja, dachte Leo. Oder überlegt, ob sie die Hunde aus dem Zwinger lassen soll. So einer traue ich alles zu.
    »Ich werde die Schwester Superior holen«, sagte die Frau endlich und schob das Fensterchen wieder zu. Ihre Schritte verhallten.
    »Na super«, sagte Leo. Mittlerweile sahen sie beide aus wie Schneemänner, nur die Karottennasen fehlten noch. Außerdem musste er pinkeln, das fiel ihm gerade ziemlich dringend auf. Na super.
    Endlich waren wieder Schritte zu hören, offenbar näherten sich diesmal zwei Frauen, eine trat ziemlich energisch auf. Dann wurde ganz unerwartet eine niedrige Tür geöffnet, die in das Holzportal eingelassen war. Eine Frau, ganz in Weiß gekleidet, stand in einem dämmrigen Gang und machte eine knappe Handbewegung. »Sie sind von der Polizei, hat man mir gesagt. Bitte treten Sie ein.«
    Sie folgten ihrer Einladung, die mehr wie eine Anweisung klang, beide mussten sie sich bücken. Dann standen sie ebenfalls in dem hohen gewölbeartigen Gang, in dem es so kalt war, dass ihr Atem noch immer zu Wolken gefror. Ein Schatten an der Wand huschte davon. Die Schwester ging ihnen voran und öffnete eine weitere Tür, ihre Schritte

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