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Kalter Weihrauch - Roman

Kalter Weihrauch - Roman

Titel: Kalter Weihrauch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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zurückgeblafft und war zur Tür hinaus. Komisch, im Werbefernsehen war das Frühstück immer die fröhlichste Tageszeit, alle lachten und plauderten und aßen, ohne zu meckern, gesunde Haferflocken mit Beeren und Vitaminen. Nur in ihrer eigenen kleinen Familie funktionierte das nie, ständig zankten die Kinder, oder ein Häferl fiel um, oder ein Handy klingelte. Wie jetzt zum Beispiel ihres. Sie blickte auf das Display, und die Neugier ging sofort in Freude über, sie registrierte es mit einem angenehmen Kribbeln im Bauch. »Artur, was für eine …«
    »Lisa«, sagte Artur Pestallozzi, der immer so höflich war und nie jemandem ins Wort fiel. »Wir brauchen dich. Es gibt die nächste Tote am See. Eine junge Frau, sie ist offenbar erdrosselt worden. Der Krinzinger hat mich gerade angerufen.«
    Es traf sie wie ein Faustschlag. Nie wurde es Routine. Im Gegenteil, es wurde immer schlimmer. Gänsehaut lief über ihren Rücken, ihr Magen fühlte sich innerhalb von Sekunden an wie ein verknäultes Tau.
    »Ich komme«, sagte Lisa Kleinschmidt.
    »Gut. Wir geben dir noch genauer Bescheid, wenn wir selbst mehr wissen. Es soll irgendwo am Ufer sein, außerhalb vom Ort. Ich melde mich.« Er legte auf.
    Sie saß da und starrte auf ihren Computerbildschirm, auf dem gerade die neuesten Wetternachrichten aufblinkten. Vor der Ostküste der Vereinigten Staaten baute sich ein Hurrikan auf. Für ganz Europa wurde neuerlich heftiger Schneefall vorhergesagt, in Frankreich waren bereits Menschen erfroren. Sie musste unbedingt die wattierten Stiefel nehmen und den Mantel mit der Kapuze. Und sie musste Miriam und Max beibringen, dass ihre Mutter sie allein lassen würde, wieder einmal. Zum Glück war noch eine ganze Auflaufform mit Lasagne im Tiefkühlfach. Die konnte sie rasch in den Herd schieben. Und sie musste wieder einmal bei ihrer Nachbarin klingeln und Frau Reber bitten, ob sie nicht für ein Stündchen herüberkommen und Max beim Zubettgehen beaufsichtigen könnte. Sie stand auf, ging zu ihrem Sohn und wuschelte ihm durchs Haar, aber Max ließ sich nicht ablenken, der Brief ans Christkind wurde gerade mit dottergelben Sternen verziert. Dann ging sie zum Zimmer von Miriam, klopfte an die Tür und öffnete sie, auf ein freundliches ›Herein‹ hätte sie lang warten müssen.
    »Ja?« Ihre Tochter klang so unwirsch, wie sie es erwartet hatte.
    »Ich muss noch einmal weg, es tut mir leid. Aber ich stelle gleich eine Lasagne ins Rohr und dann frage ich noch Frau Reber, ob sie kommen kann.«
    »Jaja, schon gut.« Ihre Tochter blickte von dem Magazin hoch, in dem sie gerade geblättert hatte. »Geh ruhig. Meine Mutter, die Karrierefrau. « Und sie wandte sich wieder betont gelangweilt ihrem Heft zu.
    Lisa Kleinschmidt schloss leise die Tür. Es war so schrecklich, dass sie es nicht einmal zu denken wagte. Obwohl sie es natürlich gerade dachte, hier und jetzt in diesem Augenblick. Dass sie froh war, wenn sie fortkam von zu Hause.

    *

    Sie kamen mit Verspätung zum See, Grabner hatte Pestallozzi noch zu einer Unterredung zitiert, die hauptsächlich aus beredtem Schweigen und zornigem Kopfschütteln bestanden hatte. Was sollte man auch sagen? Das Inferno stand unmittelbar bevor, da halfen keine Nachrichtensperre und kein Appell an die Medien mehr. Zwei ermordete junge Frauen  – denn sie alle beteten zu jeder möglichen höheren Macht, dass Agotas Geheimnis gewahrt bleiben würde – in unmittelbarer Nähe von weihnachtlicher Vorfreude und leuchtenden Kinderaugen. Das Wort war noch nicht gefallen, aber es würde innerhalb der nächsten Stunden zum ersten Mal in Balkenlettern zu lesen sein: Serienkiller! Serienkiller im Salzkammergut! Seit Hannibal Lector war das Wort zum Garant für Auflagensteigerung und Quotenoptimierung geworden. Die Reporter würden Zeilen voller Betroffenheit formulieren, aber ihre Herausgeber und Chefredakteure würden sich die Hände reiben. Nur klammheimlich natürlich.
    Leo setzte den Blinker, ausnahmsweise, und lenkte den Skoda auf den Parkplatz neben dem Gemeindebad, auf dem der Schneematsch mittlerweile knöchelhoch schwappte. Polizeiautos standen kreuz und quer und zeugten von der Hektik, die ausgebrochen war, nachdem der Anruf eingegangen war. Ein junges Pärchen hatte beim Spazierengehen die Leiche gefunden und nach dem ersten entsetzten Schrecken den Polizeinotruf gewählt. Zum Glück. Viele andere hätten sich davongemacht. Jetzt standen die beiden abseits und klapperten mit den Zähnen, Krinzinger

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