Kalter Weihrauch - Roman
Das Appartement hab ich schon vor Jahren für meine Angestellten angeschafft, aus Steuergründen. Sie glauben ja nicht, wie einem sonst die Abgaben alles wegfressen. Deshalb hat meine Frau das auch vorgeschlagen, die ist ein echter Kapazunder in solchen Sachen. Und alles 100-prozentig legal, da kann das Finanzamt gern nachschauen.« Hallwang begann in einer Jackentasche zu nesteln. Er zog ein Lederetui hervor, klappte es auf und hielt es Pestallozzi hin. »Das da bin ich mit meiner Frau auf einem Empfang in Ischl beim Bürgermeister.« Frau Hallwang in Twinset und Perlenkette passte ganz hervorragend zu ihrem Gatten. Ein schönes Paar, so nannte man das wohl. Das sich bestimmt nicht mit kleinen Kellnerinnen abgab, jedenfalls nicht auf gesellschaftlicher Ebene.
»Sehr schön«, sagte Pestallozzi höflich. Leo äugte von der Seite auf das Foto. Was der für eine Show abzog, dieser Grünteefuzzi. Na, dem würde die Angeberei schon noch vergehen. Hallwang klappte das Etui wieder zu und steckte es in die Jackentasche zurück. Seine Nähe zum Bürgermeister hatte er hinlänglich dokumentiert, diskret und elegant. Er wirkte ziemlich zufrieden mit sich selbst.
»Sie können uns also nicht weiterhelfen?«
»Bedaure.« Hallwang sah so bekümmert drein wie ein Schuljunge, der völlig ahnungslos vor der Tafel stand. »Ich wüsste beim besten Willen nicht, wie.«
»Tja dann…«, Pestallozzi sah sich im Raum um, »dann werden wir wohl Ihre Gäste behelligen müssen. Und man hat mir gesagt, dass praktisch der ganze Ort hier einkehrt. Na ja, wenigstens der männliche Teil nach dem Tanken. Man kann also davon ausgehen, dass jeder hier Suse Kajewski gekannt hat. Also werden wir Proben aus der Mundhöhle von jedem Einzelnen entnehmen müssen für einen DNA-Test. Bei Ihnen würden wir gern anfangen. Natürlich nur, wenn Sie nichts dagegen haben.«
Leo fand es jedes Mal aufs Neue faszinierend, wenn Menschen unter ihrer Solariumsbräune blass wurden. Die sahen dann so teigig aus wie eine Semmel, die zu früh aus dem Ofen gekommen war. Wie der Hallwang Ricardo jetzt zum Beispiel. Der saß da und starrte den Chef an, endlich räusperte er sich. »Also, ich habe natürlich nichts dagegen. Ich habe nichts zu verbergen. Genauso wie meine Gäste, das kann ich Ihnen versichern, Herr Chefinspektor. Das sind lauter anständige Männer.«
»Suse Kajewski war schwanger.«
Hallwang sah aus, als ob er jetzt doch einen Schnaps brauchen könnte, aber er nahm nur völlig geistesabwesend einen Schluck vom heißen Grüntee. Bräunliche Tropfen kleckerten auf die Tischplatte.
»Schwanger? Die Suse?«
»Schwanger. In der zwölften Woche. Man wird mit dem Genmaterial den Vater nachweisen können. Egal, wie viele Proben wir nehmen müssen.«
Richard Hallwang tippte sich gegen die Stirn, als ob ihm ganz plötzlich ein Geistesblitz gekommen wäre. »Natürlich! Also, das kann nur dieser Brillenheini gewesen sein, der immer um die Suse herumscharwenzelt ist! Der war’s! Jetzt fallt’s mir wieder ein!«
Leo starrte ihn an. So einen Schmierenkomödianten wie den Hallwang hatte er noch nie erlebt! Und er hatte doch schon einiges zu sehen bekommen in seinem Job! Ganz abgesehen von diesem Schauspieler, auf den die Oma früher so abgefahren war. Der Doktor Brinkmann in der Schwarzwaldklinik! Aber der Hallwang war wirklich die Krönung, der glaubte doch nicht im Ernst, dass irgendjemand …
»Ein Mann mit Brille also? Der Gast hier war? Verstehe ich das richtig?« Pestallozzi sah sein Gegenüber unbeirrt freundlich an.
»Genau! Seit dem Sommer, würde ich sagen. Der ist so alle zwei Wochen vorbeigekommen, hat getankt und dann einen Kaffee getrunken. Und die Suse hat ihm gefallen, das war ganz eindeutig zu erkennen. Mich geht es ja nichts an, was meine Angestellten so treiben, ich misch mich da nicht drein. Aber Sie können gern den Adi fragen, der hat bestimmt auch …«
Pestallozzi hob abwehrend eine Hand, Hallwang verstummte.
»Können Sie sich sonst noch an etwas erinnern?«
Hallwang lehnte sich zurück. Vielleicht war es ihm ja doch noch gelungen, das Allerschlimmste abzuwenden, die Erleichterung war ihm deutlich anzumerken! Jetzt musste er sein Wissen nur möglichst teuer verkaufen, damit sich dieser eisig freundliche Polizist besänftigen ließ. Und nicht wirklich dem ganzen Ort mit Staberln im Mund herumfuhrwerkte. Denn dann konnte er den Laden hier nämlich dichtmachen, das würden ihm die Dörfler nie verzeihen. Ricardo Hallwang schloss die
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