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Kalter Weihrauch - Roman

Kalter Weihrauch - Roman

Titel: Kalter Weihrauch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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»Musste das sein?«
    »’tschuldigung!«
    Das Wetter und die Fahrverhältnisse waren so scheußlich, dass sogar Leo brav wie ein Lämmlein in der Kolonne dahinzuckelte. Pestallozzi ballte und streckte seine klammen Finger. Der Anruf gab den Ermittlungen natürlich eine völlig neue Wendung. Der Loibner sollte, könnte es gewesen sein? Pestallozzi sah wieder den Mann vor sich, den er im vergangenen Jahr befragt hatte. Ein aufmüpfiger, stacheliger Typ, der sich kein Blatt vor den Mund nahm. Rasch aufbrausend, ein Gerechtigkeitsfanatiker. Aber auch einer, der ein junges Mädchen erdrosselte? War er am Ende gar der Vater des ungeborenen Kindes von Suse gewesen? Und wie passte die Agota zu dieser Möglichkeit? Gehörten die beiden Fälle überhaupt zusammen? Oder gab es zwei Mörder in dieser Schneelandschaft, deren Spuren zugeweht wurden, als ob die weißen nassen Flocken ihre Verbündeten wären? Pestallozzi seufzte unhörbar. Vielleicht hätte er ja doch einen Tee trinken sollen in diesem Tankstellencafé. Aber einen Tee auf Einladung vom Ricardo Hallwang, serviert von einem Kellner namens Adi, vielen Dank. Lieber fröstelte er für den Rest des Tages, der sich sowieso schon wieder verabschiedete. Das graue Licht wich bereits einer dunkelgrauen Dämmerung, dabei war es nicht einmal noch drei Uhr vorbei. Immer wieder leuchteten Bremslichter vor ihnen auf, Leo beugte sich gerade über das Lenkrad und blinzelte in das Gestöber. »Irgendwo da vorn rechts muss die Abzweigung kommen.«
    Noch 200 Meter und sie holperten von der Bundesstraße auf einen breiten Weg, der in die Auffahrt zum Loibner-Hof überging. Der wuchtige Bau lag wie eine Trutzburg da, Geräte an der Hauswand waren von einer feuchten Schneeschicht überzogen, aber in dem Fenster neben der Eingangstür brannte Licht, und aus dem Kamin stieg Rauch auf. Irgendjemand war zu Hause und saß gemütlich im Warmen, knackte vielleicht Nüsse und hatte keine Ahnung, dass die Polizei im Anmarsch war. Der Loibner war jedenfalls kein Gegner, den man unterschätzen durfte. Leo spannte seine Muskeln an und holte tief Luft. Sie öffneten die schwere hölzerne Tür und traten in den kalten Flur, in dem es nach Milch und Käse roch, ein Wetterfleck hing an einem Haken, Gummistiefel und Kinderspielzeug aus buntem Plastik lagen auf dem Steinboden. Links führte eine Tür mit Butzenscheiben in die große Küche, daran konnte sich Pestallozzi noch erinnern. Er klopfte an und öffnete die Tür.
    Und da saßen sie, der Loibner und seine Frau, die Hanni, auf der Küchenbank unter dem Herrgottswinkel. Sie knackten keine Nüsse, sondern sie starrten dem Chefinspektor und seinem Begleiter entgegen, als ob sie schon lange auf sie gewartet hätten. Die Loibner Hanni griff nach der Hand ihres Mannes. Einen Augenblick lang war es völlig still im Raum. Dann machte Pestallozzi einen Schritt in die Küche hinein und auf das Paar zu.
    »Grüß Gott, Frau Loibner. Grüß Gott, Herr Loibner. Ich bin …«
    »Mir wissen, wer Sie sind!«
    Der Loibner war aufgestanden und machte eine unbeholfene einladende Bewegung zu den Stühlen, die an zwei Seiten um den Tisch in der Ecke standen, dann wandte er sich seiner Frau zu. »Machst uns einen Kaffee, ja? Oder lieber einen heißen Tee, Herr Inspektor?«
    »Ganz recht, ein Tee wär uns lieber. Vielen Dank, Frau Loibner.«
    Die Loibnerin stand auf und machte die paar Schritte durch die Küche zur Spüle, aber sie sah aus, als ob sie ihrem Mann nur ungern von der Seite weichen würde. Wasser floss in eine elektrische Kanne, dann holte die Loibnerin Häferln aus der Anrichte und Teebeutel aus einer Dose, dazu Kaffeeobers und eine Zuckerdose, stellte alles auf den Tisch und wartete dann, dass das Wasser zu kochen anfing. Der Loibner hatte sich wieder hingesetzt und starrte auf seine Hände, die so klobig und schwielig waren, dass es für eine Frau bestimmt nicht angenehm war, von ihnen gestreichelt zu werden. Endlich sprudelte das Wasser in der Kanne, und die Loibnerin übergoss die Säckchen mit Russischem Tee in den Bechern. »Hätten S` gern ein paar Keks dazu?« Aber Pestallozzi schüttelte nur den Kopf. Vielen Dank. Dann saßen sie alle wieder um den Tisch, Pestallozzi hielt das Häferl mit beiden Händen, Leo ließ den Teebeutel auf- und abtauchen.
    »Sie wissen, warum wir da sind, Herr Loibner?« Pestallozzi sah den Mann ihm gegenüber ohne jede erkennbare Regung an. Es klang wie eine beiläufige Frage. Wird’s noch lang so weiterschneien? Ist

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