Kalter Zwilling
Goldgulden, der mit einem lauten Klatschen mitten auf dem Tisch liegenblieb.
»Entschuldigen Sie bitte.« Bettina Winterfeld rang um Beherrschung, während sie den stehenden Petrus auf der Münze anstarrte. »Mein Onkel hat diese Münzen gesammelt und ich frage mich, ob diese hier aus seiner Sammlung stammen könnte. Es gibt nicht so viele Exemplare davon.«
»Ach so«, Morgenstern begann erneut die Münze auf seinem Schreibtisch zu rollen, »ich habe sie gefunden. Aber Sie haben recht. Sie sieht genauso aus wie die auf den Kopien von Emily Richter.« Er zog ein Blatt Papier aus einem Stapel hervor.
»Zons, fünfzehntes Jahrhundert. Das Werk von Münzfälschern«, fuhr er fort, während er mit den Fingern über die auf dem Papier abgebildeten Münzen fuhr.
»Wo haben Sie die Münze gefunden?« Bettinas Herz schlug schneller. Sie wusste genau, dass ihr Onkel alle über die Jahrhunderte erhalten gebliebenen gefälschten Zonser Goldgulden in seinem Besitz hatte. Sie waren sein ganzer Stolz und Unikate von unschätzbarem Wert. Familienerbstücke, die seit Jahrhunderten von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Eines Tages würde diese Münzsammlung Anna gehören.
Professor Morgenstern wich ihrer Frage aus. »Sie haben diese Münzen also von ihrem Onkel geerbt?« Er schnalzte mit der Zunge. »Warum arbeiten Sie hier eigentlich noch? Diese Sammlung müsste doch ein Vermögen wert sein.« Er grinste sie an. Bettina wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als es an der Tür klopfte.
»Entschuldigen Sie, Professor Morgenstern. Sie haben Besuch.«
In Morgensterns Augen blitzte für eine Sekunde Wut auf. Das war genau der Gesichtsausdruck, der Bettina Angst machte. Irgendetwas stimmte mit dem Professor nicht. Doch er fasste sich schnell und entgegnete mit freundlicher Stimme: »Ich habe jetzt keine Zeit. Bitte vertrösten Sie den Besuch auf einen späteren Zeitpunkt. Außerdem sehe ich hier überhaupt keinen Termin in meinem Kalender.« Morgenstern zog die Augenbrauen hoch. Die Schwester trat einen Schritt in das Büro herein und flüsterte mit aufgeregter Stimme. »Es ist ein Herr Bergmann von der Kriminalpolizei. Er sagt, es sei dringend.«
Morgenstern schüttelte unwirsch den Kopf. »Also gut, bringen Sie ihn herein.« Ohne Bettina Winterfeld eines weiteren Blickes zu würdigen, stand er auf und drehte sich zum Fenster um. Flüchtig konnte Bettina einen Verband unter seinem Oberhemd erkennen. Dort war eindeutig eine Verdickung, unter der weißer Stoff zu sehen war.
Sie verhaften ihn, weil er etwas Schlimmes getan hat!, schoss es ihr durch den Kopf. Die Worte der Schwester hallten durch ihr aufgeregtes Gehirn: Herr Bergmann von der Kriminalpolizei! Schnell erhob sie sich und lief nach draußen. Auf der Treppe kam ihr ein gutaussehender junger Mann mit Jeans und Lederjacke entgegen. Sein kantiges Gesicht verlieh ihm ein sehr männliches Aussehen, welches durch die stahlblauen Augen und den schwarzen Haarschopf noch verstärkt wurde. Der Name kam Bettina irgendwie bekannt vor. Doch sie konnte sich nicht erinnern. Während sie die Treppenstufen zum Archiv mit den Patientenakten hinabstieg, kreisten ihre Gedanken um die Münzsammlung ihres Onkels. Woher zum Teufel hatte Morgenstern nur diesen Goldgulden?
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XV.
Vor fünfhundert Jahren
Bastian konnte nicht schlafen. Er hatte versucht, den Bruderältesten zu sprechen, doch der war den ganzen Tag über nicht in seinem Haus aufgetaucht. Niemand konnte ihm sagen, wo sich Reinhard Nolden aufhielt. Unverrichteter Dinge war Bastian am Abend abgezogen. Auch der Pfarrer hatte ihn nicht aufmuntern können. Johannes war lediglich froh darüber, dass der Bucklige endlich im Juddeturm saß. Der Pfarrer hatte ständig vom Beichtgeheimnis gemurmelt und dabei merkwürdige Andeutungen über Gilig Ückerhoven gemacht. Bastian konnte sich keinen Reim darauf machen. Für ihn stand fest, dass sich der Bucklige schuldig gemacht hatte.
Den Diebstahl der gefälschten Münzen hatte er auf alle Fälle auf dem Kerbholz. Aber ob er auch ein Mörder war? Tief in seinem Herzen zweifelte Bastian daran. Andererseits hatte er auch den blutigen, mit schwarzen Haaren verklebten Hammer und die verkohlten Kleiderfetzen des Bettelweibes in Giligs Haus entdeckt. Nur weil sein Herz den Buckligen - vielleicht sogar aus falschem Mitleid heraus - für unschuldig hielt, wollte Bastian eher seinem Verstand trauen. Eigentlich war die Lage eindeutig. Die Zonser Bevölkerung war sich
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